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Der Verschollene

Der Verschollene

Titel: Der Verschollene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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angefangen hast, warum hast Du denn kein Wort davon gesagt, Du weißt ich wollte Dir ein eigenes Zim- mer verschaffen und habe darauf geradezu erst über Dei- ne Bitten verzichtet. Es scheint jetzt, als hättest Du den allgemeinen Schlafsaal vorgezogen weil Du Dich dort ungebundener fühltest. Und Dein Geld hattest Du doch in meiner Kassa aufgehoben und die Trinkgelder brach- test Du mir jede Woche, woher um Gotteswillen, Junge, hast Du das Geld für Deine Vergnügungen genommen und woher wolltest Du jetzt das Geld für Deinen Freund holen? Das sind natürlich lauter Dinge, die ich wenigstens jetzt dem Oberkellner gar nicht andeuten darf, denn dann wäre vielleicht eine Untersuchung un- ausweichlich. Du mußt also unbedingt aus dem Hotel undzwar so schnell als möglich. Geh direkt in die Pen- sion Brenner – Du warst doch schon mehrmals mit Te- rese dort – sie werden Dich auf diese Empfehlung hin umsonst aufnehmen" – und die Oberköchin schrieb mit einem goldenen Crayon, den sie aus der Bluse zog, eini- ge Zeilen auf eine Visitkarte, wobei sie aber die Rede nicht unterbrach – „Deinen Koffer werde ich Dir gleich nachschicken, Terese, lauf doch in die Garderobe der Lifjungen und pack seinen Koffer", (aber Terese rühr- te sich noch nicht, sondern wollte, wie sie alles Leid ausgehalten hatte, nun auch die Wendung zum Bessern, welche die Sache Karls dank der Güte der Oberköchin nahm, ganz miterleben).
    Jemand öffnete ohne sich zu zeigen ein wenig die Tür und schloß sie gleich wieder. Es mußte offenbar Giaco- mo gegolten haben, denn dieser trat vor und sagte: Roßmann ich habe Dir etwas auszurichten." „Gleich", sagte die Oberköchin und steckte Karl, der mit gesenk- tem Kopf ihr zugehört hatte, die Visitkarte in die Ta- sche, „Dein Geld behalte ich vorläufig, Du weißt, Du kannst es mir anvertrauen. Heute bleib zu hause und überlege Deine Angelegenheit, morgen – heute habe ich nicht Zeit, auch habe ich mich schon vielzulange hier aufgehalten – komme ich zu Brenner und wir werden zusehn was wir weiter für Dich machen können. Verlas- sen werde ich Dich nicht, das sollst Du jedenfalls schon heute wissen. Über Deine Zukunf mußt Du Dir keine Sorgen machen, eher über die letztvergangene Zeit." Darauf klopfe sie ihm leicht auf die Schulter und gieng zum Oberkellner hinüber, Karl hob den Kopf und sah der großen stattlichen Frau nach, die sich in ruhigem Schritt und freier Haltung von ihm entfernte.
       „Bist Du denn gar nicht froh", sagte Terese, die bei ihm zurückgeblieben war, „daß alles so gut ausgefallen ist?" „O ja", sagte Karl und lächelte ihr zu, wußte aber nicht warum er darüber froh sein sollte, daß man ihn als einen Dieb wegschickte. Aus Tereses Augen strahlte die Freude, als sei es ihr ganz gleichgültig, ob Karl etwas verbrochen hatte oder nicht, ob er gerecht beurteilt wor- den war oder nicht, wenn man ihn nur gerade entwi- schen ließ, in Schande oder in Ehren. Und so verhielt sich gerade Terese, die doch in ihren eigenen Angele- genheiten so peinlich war und ein nicht ganz eindeutiges Wort der Oberköchin wochenlang in ihren Gedanken drehte und untersuchte. Mit Absicht fragte er: „Wirst Du meinen Koffer gleich packen und wegschicken?" Er mußte gegen seinen Willen vor Staunen den Kopf schüt- teln, so schnell fand sich Terese in die Frage hinein und die Überzeugung, daß in dem Koffer Dinge waren, die man vor allen Leuten geheim halten mußte, ließ sie gar nicht nach Karl hinsehn, gar nicht ihm die Hand reichen, sondern nur flüstern: „Natürlich, Karl, gleich, gleich werde ich den Koffer packen." Und schon war sie da- vongelaufen.
       Nun ließ sich aber Giacomo nicht mehr halten und aufgeregt durch das lange Warten rief er laut: „Roß- mann, der Mann wälzt sich unten im Gang und will sich nicht wegschaffen lassen. Sie wollten ihn ins Kranken- haus bringen lassen, aber er wehrt sich und behauptet, Du würdest niemals dulden, daß er ins Krankenhaus kommt. Man solle ein Automobil nehmen und ihn nach- hause schicken, Du werdest das Automobil bezahlen. Willst Du?"
       „Der Mann hat Vertrauen zu Dir", sagte der Ober- kellner. Karl zuckte mit den Schultern und zählte Giaco- mo sein Geld in die Hand: „Mehr habe ich nicht", sagte er dann.
       „Ich soll Dich auch fragen, ob Du mitfahren willst", fragte noch Giacomo mit dem Gelde klimpernd.
       „Er wird nicht mitfahren", sagte die Oberköchin.
       „Also Roßmann", sagte der

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