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Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Titel: Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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jungen Frau gehabt. Bei Materlink und Tiedke deutete nichts auf etwas Vergleichbares hin. Zumindest nicht kurz vor ihrem Tod.
    Vergewaltigung. Die kleine Schwester des Mordes. Raupach hatte ihr bislang zu wenig Beachtung geschenkt. Wenn Valerie ihren Mann auf dem Gewissen hatte, war sie vielleicht von ihm missbraucht worden. Deshalb hatten Woytas und seine Leute die Sache heruntergespielt. Polizisten hegten manchmal starke Sympathien für Vergewaltigungsopfer. Sie bekamen Schuldgefühle, weil sie nicht in der Lage gewesen waren einzugreifen.
    Valerie war nicht mehr jung, auch wenn sie es sich vormachte wie die meisten Frauen ihrer Generation. Sheila dagegen war jung. Sehr jung.

    Raupach betrat den Raum mit der Waschmaschine. »Wie geht es voran?«
    Effie Bongartz kroch in Schutzkleidung auf dem Boden herum. Sie schaute kurz auf und wandte sich wieder ihren Abstrichen zu. »Dauert noch eine Weile.«
    »Ich dachte, hier seid ihr schon fertig.«
    »Es soll doch gründlich gemacht werden, oder? Ich bin gerade beim zweiten Durchgang.«
    »Und? Was Neues?«, fragte Raupach.
    »Nur die bereits bekannten Abdrücke von Land, Valerie Braq und den anderen Mitarbeitern des Sonnenstudios.«
    Raupach versuchte sich vorzustellen, wie Land sich hier gefühlt hatte. Das viele Blut wies auf Autoaggression hin. Er hat sich selbst Verletzungen zugefügt. Das war eher eine Reaktion weiblicher Borderline-Erkrankten, wie Jakub erklärt hatte. Vielleicht hatte Aalund Land eingesperrt in Unkenntnis, wen er da aus dem Verkehr zog, oder weil er sich nicht mit ihm hatte anlegen wollen. Vielleicht hatte Aalund es nur auf Valerie abgesehen. Wie auch immer, Land war nicht dazwischengegangen. Er hatte auch keinen Alarm geschlagen. Hatte er gehört, wie Aalund Valerie gequält hatte?
    Es gab zwei Formen von Machtlosigkeit. Die eine war, keinen Einfluss auf das Leben anderer Menschen zu haben, von ihnen nicht wahrgenommen zu werden. Das machte einen Mann impotent, wortwörtlich. Die andere bestand darin mitzuerleben, wie ein anderer zu Schaden kommt. Land hatte einige Tage bei Valerie Braq gelebt. Vielleicht hatte er sie dafür nicht einmal unter Druck setzen müssen. Er konnte ihre Nähe gesucht, ein Verhältnis aufgebaut haben. Er konnte mehr für sie empfunden haben – und sie für ihn. Die Liebe des Voyeurs und die Liebe der Entführten. Die Liebe des Flüchtlings und seiner Helferin. Wenn dies der Fall war, dann musste Johan Land in diesem Raum wirklich gelitten haben.
    Raupach schloss die Tür von innen und starrte auf das grau lackierte Stahlblech. Was war in diesem Mann vorgegangen? Die Zeit verlangsamt sich, während die Geliebte einen Schlag nach dem anderen einsteckt. Sie ruft nicht um Hilfe, darf es nicht, um kein Aufsehen zu erregen. Die Sekunden werden für Land zu Folterinstrumenten. Sie halten ihn in einem einzigen, endlos sich dehnenden Augenblick gefangen. Später wird sich dieser Augenblick wiederholen. Das ist Hilflosigkeit, dachte Raupach. Den Lauf des Schicksals nicht beeinflussen können. Wie den Flug einer Kugel.
    »Ich brauche die Spuren aus der Wohnung von Valerie Braq. Vor allem aus dem Zimmer der Tochter, Sheila.«
    »Daran arbeitet eine andere Gruppe«, sagte Effie Bongartz.
    »Brechen Sie Ihre Arbeit ab. Ich möchte Sie in der Viersener Straße haben. Das hier«, er beschrieb mit der Hand einen Bogen, »wird uns nicht mehr viel weiterbringen. Ich will wissen, wer sich alles bei Valerie Braq und ihrer Tochter aufgehalten hat. Auch vor längerer Zeit. Strengen Sie sich an.«
    Effie stand auf. »Jetzt gleich?«
    »Sofort. Sie können mich begleiten.« Er öffnete die Tür und begann, den Schutzanzug abzustreifen. »Außerdem brauche ich einen Wagen.«
    Sie verließen das Sonnenstudio. Effie besaß noch keinen Dienstwagen und ging zu ihrem alten Renault. Bevor Raupach einstieg, fragte er sie übers Autodach hinweg, ob sie die Bodenprobe schon analysiert habe, die er ihr vor einigen Tagen gegeben hatte.
    »Öl«, sagte sie. »Leider habe ich es noch nicht genauer spezifizieren können.«
    »Machen Sie weiter«, gab Raupach zurück. »Ohne offizielles Protokoll. Keine Aufzeichnungen, keine Computerdateien. Das ist eine Sache zwischen uns beiden.«
    »Damit verstoße ich gegen die Vorschriften.«
    »Aus gutem Grund, das versichere ich Ihnen. Nehmen Sie das in Kauf?«
    »Sie bringen mich in eine schwierige Situation.« Effie lag viel an Raupachs Vertrauen. Andererseits hatte sie Dinge über ihn gehört, die sie vorsichtig

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