Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)
machten. Ungedeckte Alleingänge. Sonderwege ohne Netz und doppelten Boden.
Raupachs Handy klingelte. Die neue Nummer war nur der Sonderkommission bekannt. Er ging ran.
Woytas beschränkte sich auf eine Ortsbezeichnung. Mehr könne er nicht sagen. Dann legte er auf.
»Setzen Sie mich am Römerturm ab«, sagte Raupach zu Effie. »Ich habe noch etwas zu erledigen.«
Es war früher Abend. In der Hotelbar saßen nur ein paar vereinzelte Gäste. Sie nahmen einen Aperitif und saßen in Pärchen oder kleinen Gruppen beieinander.
Raupach bestellte einen Kaffee und ließ sich am Ende des Tresens hinter einem Pfeiler nieder. Was um alles in der Welt sollte er hier? Warum hatte sich Woytas nicht deutlicher ausgedrückt? Diese Geheimnistuerei kam Raupach im höchsten Grade merkwürdig vor. Andererseits war Warten seine Spezialität. Der größte Teil seines Lebens bestand daraus. Irgendwann hatte er sich damit abgefunden.
Der Barkeeper wusste aus Erfahrung, dass er einen Polizisten vor sich hatte. Einen von der frustrierten, überarbeiteten Sorte. In einem zerknitterten Anzug, der nicht zum Erscheinungsbild der anderen Gäste passte.
»Hatten Sie einen langen Tag?«, fragte er und stellte Raupach eine Kaffeetasse hin.
»Kann man wohl sagen. Ihrer fängt jetzt erst an, oder?«
»Heute bleibt es ruhig.« Der Barkeeper sah sich routiniert um und deutete auf die Flasche, die er vorsorglich aus dem Regal genommen hatte. »Möchten Sie einen Cognac?«
Raupach schüttelte den Kopf und setzte das Gespräch noch eine Weile fort. Hoteltratsch, Kommentare zum Tagesgeschehen und überraschend offene Fragen zum Feuerteufel, die Raupach ausweichend beantwortete. Schließlich ließ er sich doch zu einem Cognac überreden. Der Barkeeper verstand sein Geschäft.
Einem Impuls folgend lehnte er sich zurück und benutzte den Pfeiler als Deckung – genau zum richtigen Zeitpunkt. Himmerich war gerade in die Bar gekommen. Der Polizeipräsident sah sich kurz um und nahm an einem Tisch in einer Nische Platz. Er schaute auf seine Armbanduhr.
Raupach konnte es nicht fassen. Ausgerechnet Himmerich! Von Woytas war nichts zu sehen.
Himmerich bestellte ein Kölsch. Er trank mit Befriedigung, aber einer gewissen Unruhe, wie es den Anschein hatte. Er griff nach einem Express und blätterte darin. Hin und wieder schielte er über den Zeitungsrand. Er wandte Raupach den Rücken zu.
Dann betrat Küchler die Bar. Er trug eine große Schultertasche und setzte sich an den Tisch neben Himmerich, direkt neben dem Ausgang. Wegen der Trennwand verlor Raupach den Journalisten aus den Augen.
Raupach verrückte den Barhocker. Jetzt hatte er beide im Blick, seinen langjährigen Chef und seinen Widersacher. Was würde passieren? Offenbar hatten beide noch nicht voneinander Notiz genommen.
Dann kam ein weiterer Mann herein. Er blickte sich um und registrierte ein paar Hotelgäste, einen Biertrinker hinter einer Zeitung und Küchler, der grüßend die Hand hob. Raupach war von seinem Barhocker aufgestanden und machte sich hinter dem Pfeiler so dünn wie möglich. Der Mann war Vorderbrügge.
Der Leiter der Gefahrenabwehr und der Skandaljournalist unterhielten sich eine Weile. Schließlich stand Vorderbrügge auf und kontrollierte ein weiteres Mal die Bar. Dann setzte er sich wieder. Himmerich hielt sein Kölschglas umklammert und war hinter seiner Zeitung zusammengesunken.
Über den Tisch hinweg steckte Vorderbrügge dem Journalisten etwas zu, was wie eine DVD aussah. Wie sich herausstellen sollte, war es eine Kopie von Marta Tobischs letzter Videoaufnahme. Vorderbrügge war die undichte Stelle.
Woytas betrat die Hotelbar, näherte sich Vorderbrügge von hinten und nahm ihm wortlos die DVD ab. Dabei suchte er Raupachs Blick. Und ignorierte Himmerich, der aufgesprungen war und seine Untergebenen mit Fragen bombardierte.
Woytas hielt die DVD hoch und nickte dem Leiter der Sonderkommission zu. Raupach nickte zurück.
Kurz und schmerzlos. Aus der Art, wie Woytas die Dinge anpackte, konnte man eine Menge lernen.
18. Dezember
Mit Vorderbrügges Ausscheiden aus der Gefahrenabwehr waren etliche Formalitäten verbunden. Sie hatten Raupach den Rest des vorangegangenen Tages gekostet, zumal Himmerich kaum zu beruhigen war. Es bedurfte einiger Überzeugungsarbeit, damit er das Ganze nicht an die große Glocke hängte. Außerdem konnte er Vorderbrügge nicht einfach fristlos kündigen, dafür reichte dessen Tête-à-tête mit der Skandalpresse nicht aus. Am Ende
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