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Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Titel: Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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Haltestelle wirkte wie ein Hallenbad. Sollte das den Fluss des modernen Lebens symbolisieren? Oder den Rhein? Es wirkte künstlich und kalt.
    Mit Hilfe einer Skizze erreichte er die Stelle, an der Marta Tobisch einst zu Tode gekommen war. Darauf deutete natürlich nichts mehr hin. Die ganze Station war ein Ort ohne einen Hauch von Identität. Er konnte sich überall befinden. Noch wirkte er gesichts- und gefahrlos. Wenn es auf Mitternacht zuging, würde sich das für ein paar Stunden ändern. Frauen würden belästigt werden, Männer würden mit Bierflaschen auf den Wartebänken sitzen und herumkrakeelen, oder umgekehrt. Am Rudolfplatz war alles möglich, es war eine Durchgangsstation. Von hier aus stieg man um in eine andere Bahn, die einen dann vielleicht nach Hause beförderte oder einfach ein Stück weiter trug durch die Eingeweide der Stadt. Es war ein Unort, der sich Raupach verschloss. Johan Land hatte ihn ja auch nicht bewusst ausgewählt. Und er würde hier auch nicht warten, bis es so weit war.
    »Dürfte ich Ihre Papiere sehen?« Ein Mann mit einem roten Barett tippte ihm auf die Schulter. Er gehörte zu einem privaten Sicherheitsdienst. Weiter vorn an der Rolltreppe stand ein Polizist, der bereits die Hand an seine Waffe legte.
    Raupach wies sich aus und lobte den Mann für seine Aufmerksamkeit. Warum konnte es nicht immer so sein? Er war beileibe kein Befürworter einer Totalüberwachung der öffentlichen Verkehrsmittel. Aber jetzt wollten die meisten Menschen einfach nur Schutz. Es war ihnen nicht zu verdenken.
    Er betrachtete die Ausrüstung des Mannes und überschlug dessen Stundenlohn. Lange ließen sich solche Maßnahmen nicht aufrechterhalten. Schutz war teuer, besonders in schlechten Zeiten. Ein Paradox. Je unsicherer die Verhältnisse wurden, desto weniger Geld war da, sie sicherer zu machen.
    Raupach nahm die nächste Bahn zum Chlodwigplatz. Dort in einer Seitenstraße lag das Sonnenstudio, wo Johan Land am 14. Dezember nachweislich gewesen war. Nippes befand sich in der Gegenrichtung. Der Rudolfplatz lag etwa auf halber Strecke zwischen beiden Punkten. Land schien sich auf einer Achse zu bewegen.
    In der Merowingerstraße standen mehrere Wagen der Spurensicherung. Raupach zog einen dünnen Schutzanzug über und achtete darauf, die Bahnen aus Plastikfolie nicht zu verlassen. Die Techniker waren so in ihre Arbeit vertieft, dass sie ihm nicht einmal missbilligende Blicke zuwarfen. Zuerst ging er in die Kabine, in der Spuren von Valerie Braq gefunden worden waren: Blut, Speichel, ein abgebrochener Schneidezahn, Haare unter der Sonnenbank, Fingernagelreste.
    Raupach hatte vor einer guten Woche eine andere Kabine benutzt. Damals war sie ihm wie ein schützendes Refugium vorgekommen. Später, als er Valerie befragt hatte, wie ein Vernehmungsraum. Jetzt hatte er den Eindruck, als lade die Kabine beinahe dazu ein, jemanden in die Enge zu treiben. Sie war am Fußende der Bräunungsliege etwas schmaler. Raupach schaltete die Halogenscheinwerfer der Techniker aus. Die normale Beleuchtung war stimmungsvoll gedämpft.
    Die dünnen, mit Stoff bezogenen Trennwände schimmerten terrakottarot, die Farbe des Südens. Das Schwarz und Silber der Sonnenbank bildete dazu einen starken Kontrast. Das Gerät war nicht in Betrieb. Es sah aus wie ein futuristischer Sarg, das Maul weit geöffnet für einen Kälteschlaf von unbestimmter Dauer.
    Wenn es wirklich Aalund war, der Valerie hier misshandelt hatte – wovor hatte er Angst? Welche Gefahr stellte die Frau für ihn dar? Er glaubte doch wohl nicht, dass sie für die Morde an den anderen Musikern verantwortlich war und jetzt ihn aufs Korn nahm? Allerdings war sie jetzt mit Johan Land zusammen, das wusste Aalund vielleicht. Wollte er in Wirklichkeit Land zur Rede stellen? Aber warum hatte er es dann nicht getan? Land war nur ein paar Meter entfernt gewesen.
    Ein Mann wie Aalund und eine Frau wie Valerie. Raupach fragte sich, ob da auch Sex im Spiel war. Die Situation hatte es geradezu herausgefordert, Gewalt, Einschüchterung, ein Unterwerfungsszenario. Aber Effie hatte keine Spuren eines Geschlechtsakts gefunden. Weder offensichtliche wie Spermarückstände oder Scheidensekret noch mittelbare wie Schamhaare. Aalund hatte Valerie Braq auch nicht getötet. Er hatte sie »nur« geschlagen. Weiter war sein Interesse – oder seine Angst – nicht gegangen.
    Raupach rief sich den Mord an Lübben in Erinnerung. Unmittelbar davor hatte der Mann Verkehr mit einer sehr

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