Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)
versetzte Himmerich ihn in eine Stadt am Niederrhein. Dem Vernehmen nach regnete es dort häufiger als auf Island.
Am nächsten Morgen nahm Raupach die Spur wieder auf. Jetzt waren es noch fünf Tage bis zum Dreiundzwanzigsten. Eis und Schnee schmolzen über Nacht und ließen ein jäh entblößtes Köln zurück. Wie zum Ausgleich hüllten verspätete Herbstnebel die Stadt in ein klammes Gewand.
Raupach wurde von einer Ungeduld ergriffen, die er bislang nicht gekannt hatte. Es war die Angst, zu spät zu kommen. Sie verfolgte ihn bereits in seine Träume und vervielfachte sich dort. Fünf Tage waren nichts. Sie suchten vier Personen: Land, Aalund, Valerie und Sheila Braq. Wenn sie Land schon nicht aufspürten, dann wenigstens einen von den anderen, um ein Stück weiterzukommen.
Photini hatte Raupach abgeholt. Sie hatte es ebenfalls satt, im Taubenschlag herumzusitzen, und war froh, dass Heide die Stellung hielt. Koordination war wichtig, aber den Mangel an weiterführenden Spuren zu verwalten, hielt sie für vergeudete Zeit.
»Warum müssen die Leute eigentlich immer gleich heiraten?«, fragte Photini. Sie gingen die Treppe zu Valerie Braqs Wohnung hoch.
Raupach blieb stehen. Photini wusste nichts von seiner gescheiterten Ehe. Neben der Wohnungstür in seinem Rücken befand sich ein Klingelschild. »Goodens« stand in ausgestanzten Buchstaben darauf.
»Wie kommst du darauf?«
»Ich dachte an Valerie Braq«, sagte Photini.
»Weil sie verheiratet war?
»Warum hat sie sich auf jemanden wie Jef Braq eingelassen? Da müssen bei ihr doch alle Alarmglocken geläutet haben.«
Die Tür, vor der sie standen, öffnete sich. Goodens blickte ihnen aus dem Türrahmen entgegen. Raupach kannte den Mann aus den Vernehmungsberichten. Höttges hatte mit ihm gesprochen. Er arbeitete als Türsteher in einer beliebten Diskothek im Belgischen Viertel. Normalerweise schlief er vormittags, um sich von den langen Nächten zu erholen. Jetzt hatte er eine schwere Topfpflanze mit rosafarbenen Blüten unterm Arm. Der Kübel musste einiges wiegen, aber bei Goodens sah es so aus, als wäre es nichts. Der Mann war groß und breitschultrig. Er trug Jeans und ein Hemd aus dickem Kord. An seinen Füßen befanden sich Filzpantoffeln, die nicht zur restlichen Erscheinung passten.
Raupach stellte sich und Photini vor. Er nutzte die Gelegenheit, um Goodens zu fragen, wer bei Valerie Braq denn so ein und aus gegangen war.
Der Mann setzte die Pflanze vorsichtig ab. »Ich weiß nicht. Das habe ich schon Ihrem Kollegen gesagt.«
»Es geht nicht nur um die letzten Monate, sondern auch um die Zeit, als Jef Braq noch am Leben war«, erklärte Raupach. »Von seiner Band haben Sie doch sicher gehört.«
»Mehr oder weniger«, sagte Goodens und verschränkte die Arme. »Die haben Hardrock gespielt, oder?«
»So etwas Ähnliches.«
»Dafür interessiere ich mich nicht. Ich interessiere mich auch nicht für die anderen Leute im Haus.«
»Aber Sie wohnen direkt unter Frau Braq. Haben Sie nicht gelegentlich mitbekommen, wer zu Besuch da war?«
»Nein.«
»Vielleicht wurde es irgendwann einmal laut und sie haben sich gestört gefühlt«, schaltete sich Photini ein. »Fällt Ihnen so eine Situation wieder ein?«
»Nicht, dass ich wüsste.« Goodens schüttelte den Kopf. »Ich erinnere mich nur an die viele Polizei, als der Mann gestorben ist. Das war genauso wie jetzt.«
Raupach fand diese abweisende Haltung merkwürdig. War Goodens einer dieser Menschen, die aus Prinzip alles abstritten, weil sie mit undurchsichtigen Dingen nichts zu tun haben mochten oder beim Anblick eines Polizisten automatisch zum Widersprechen neigten? Oder wollte Goodens sie nur schnell loswerden und es war ihm tatsächlich egal, was sich ein Stockwerk über oder unter ihm zutrug? Ein wenig kooperativer konnte er sich schon zeigen, wenn er nichts zu verbergen hatte.
»Haben Sie etwas dagegen, wenn wir uns bei Ihnen umsehen?«, fragte Raupach.
Goodens zögerte. »Warum?«
Photini wollte eine sanfte Drohung nachschieben. Doch Goodens überlegte es sich anders. Möglicherweise war er nur schwer von Begriff, jedenfalls trat er unvermittelt beiseite. »Bitte.«
Die Wohnung war kleiner geschnitten als die von Valerie Braq. Dafür besaß sie einen gemauerten Balkon. Eine Laune des Architekten, dachte Raupach und trat ins Freie. Die Bodenplatten des Balkons wiesen eine Vielzahl brauner Ringe auf, die wohl von weiteren Topfpflanzen herrührten. Raupach suchte die Fenster von Johan
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