Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)
Lands Wohnung an der Rückseite der Christinastraße. Hatte der Kerl auch Goodens beobachtet und die Zeiten seiner Abwesenheit notiert, um unbemerkt in Valerie Braqs Etage zu gelangen?
Weiter unten lag der Hinterhof, über den Land ins Sonnenstudio geflohen sein musste, Höttges hatte ihn gewissenhaft überprüft. Im Grunde waren es mehrere aneinander grenzende Hinterhöfe, mit kleinen Schuppen, Fahrradunterständen, Mülltonnen und Grillplätzen, wie es Raupach von seinem eigenen Haus in der Gneisenaustraße kannte.
Währenddessen untersuchte Photini in Gesellschaft von Goodens einen Raum nach dem anderen. Es war ein schmucklos eingerichtetes Junggesellenappartement. Nur auf dem Wohnzimmertisch lag ein weißes Tischtuch und verbreitete etwas Wohnlichkeit. In einer Vase mit Kristallschliff steckte eine frische Oleanderblüte. An der Wand hing das Bild einer alten Frau. Sie saß zusammengesunken in einem Sofa, daneben war ein Rollstuhl zu erkennen. »Meine Mutter«, sagte Goodens. »Sie lebt im Altenheim.«
Es gab eine winzige Küche. Ein Teller mit belegten Broten stand auf der Arbeitsfläche, daneben eine Schale mit Weihnachtsplätzchen. Im Bad befand sich ein großer Wäschekorb, mehrere Handtücher lagen obenauf.
Sie trafen sich im Wohnzimmer wieder. »Nichts Besonderes«, sagte Photini. »Lass uns wieder gehen.«
Goodens stand hinter ihr. Er wirkte gelangweilt.
Raupach betrachtete den Tisch. Die Schublade stand ein Stück offen. Er trat näher und zog daran. Sie klemmte, ging aber etwas weiter auf. Ein Schachbrett aus Pappe kam zum Vorschein.
»Spielen Sie gegen sich selbst?«, fragte Raupach, um die Situation nicht so sehr wie eine Hausdurchsuchung wirken zu lassen.
»Meistens«, erwiderte Goodens. Er schien sich keine weitere Bemerkung abringen zu können. Dann packte er den Griff der Schublade, rüttelte daran und schloss sie. »Ich spiele Dame«, setzte er hinzu, als handelte es sich dabei um eine außergewöhnliche Information.
Raupach bedankte sich. Erst jetzt fiel ihm auf, dass Goodens schielte und auf eine eigenwillige Art den Kopf drehte. Er besaß ein Glasauge.
Goodens begleitete sie nach draußen. Er nahm seine Topfpflanze, zog die Tür zu und ging die Treppe hinunter.
»Mit solchen Typen haben es unsere Leute hier in Nippes dauernd zu tun«, sagte Photini, als er verschwunden war. »Was jenseits ihrer vier Wände passiert, schert sie nicht. Manchmal frage ich mich, ob die Welt, in der unsere Eltern lebten, nicht schon längst entzweigegangen ist.«
»Sie ist nicht auf einen Schlag zerfallen«, Raupach begann, die Treppe weiter hochzugehen. »Sie bricht langsam auseinander, wie die Kontinente. An bestimmten Stellen stößt man auf die Risse.«
In Valeries Wohnung herrschte Hochbetrieb. Hattebiers Technikertrupp hatte im Wohnzimmer ein Minilabor errichtet. Effie Bongartz war mit den Fingerabdrücken beschäftigt. Raupach und Photini wurden umgehend mit Schutzkleidung versehen.
Die Spuren von Johan Land waren weitgehend ausgewertet. Der Kasten, den er für den Camcorder gebaut hatte, deutete auf sein handwerkliches Geschick hin. Trotz seiner psychischen Probleme schien er in der Lage zu sein, mit geringen Mitteln einen effektiven Brandsatz herzustellen, an nahezu jedem beliebigen Ort.
»Was meinst du? Wie hat das Mädchen auf Lands Anwesenheit reagiert?«, fragte Raupach.
Sie standen in Sheilas Zimmer. An der Wand hingen Poster verschiedener Popstars. Es gab einen kleinen Schreibtisch, Schulzeug, einen beleuchtbaren Globus, ein Regal mit CDs und ein paar Büchern, ein Bett und einen Kleiderschrank, alles auf etwa zwölf Quadratmetern. Raupachs eigenes Jugendzimmer war nicht viel größer gewesen.
»Er schien mit Valeries Einverständnis hier gewesen zu sein.« Photini betrachtete die CD einer skandinavischen Rockband, die sie selber gern hörte. »Was wird sie dazu wohl gesagt haben? Ihre Mutter bringt einen neuen Mann nach Hause. Er schläft bei Valerie im Zimmer. Was hatte Sheila für eine Wahl?«
»Braq und Land hatten in den fünf Tagen, in denen er hier war, keinen Sex miteinander«, sagte Effie Bongartz. Sie machte sich an der tapezierten Wand am Kopfende des Bettes zu schaffen. »Die Bettwäsche wurde in dieser Zeit nicht gewechselt, wir haben jede Faser analysiert. Körperlich sind sie sich nicht näher gekommen, sie blieben jeder auf ihrer Seite der Matratze. Es sei denn, sie haben es in der Badewanne getan.« Sie lachte anzüglich, aus Unsicherheit, wie Raupach annahm. »Das
Weitere Kostenlose Bücher