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Der Vierte Tag

Der Vierte Tag

Titel: Der Vierte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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bei ihr einen echten von einem Gefälligkeitsorgasmus unterscheiden.
    "Nicht hier, Celine!"
    Aber Celine springt auf, fast kippt mein Bier um. Erregt ist sie jedenfalls.
    "Komm mit, Felix."
    Der Weg zur Klinik ist dunkel, die Fernsehcrews mit ihren Scheinwerfern sind verschwunden. Ein paar Polizisten streichen noch durch die Gegend, gerade wird eine Gulaschkanone auf einen Lastwagen gehievt, an uns besteht kein Interesse. Langsam wird mir klar, wohin Celine mich zieht, und auch ich werde einigermaßen aufgeregt. Eine Million Euro sind weit mehr, als ich für meine Strandbude in der Karibik brauche.
    Stinki ist hoch erfreut, uns zu sehen, springt mich an, springt Celine an, versucht, uns das Gesicht zu lecken. Ich halte Stinki fest, während Celine die Tasche an seinem Halsband untersucht.
    Tatsächlich, Geld! Und ein gefalteter Zettel.
    "Ich heiße Stinki und habe mich verlaufen. Hier ist Geld für einen Anruf bei meinem Frauchen und meinem Herrchen. Die Nummer ist ..."
    Bei dem Geld handelt es sich um vier Münzen à fünfzig Cent. Dafür gibt’s keine Strandbude. Nirgendwo.
    Celine glaubt wahrscheinlich, mir wäre die wundersame Vermehrung der Pensionisten in unserer Tierpension nicht aufgefallen. Sie war aber kaum zu übersehen, denn Liebe macht nicht wirklich blind, habe ich schon vor langer Zeit herausgefunden. Sie hilft allerdings, Dinge zu akzeptieren. Es wird sich schon eine Lösung für die geretteten Tiere von ihrer Nachtaktion in der Versuchstierfarm finden.
    Wieder einmal bin ich auf dem Waldfriedhof. Ich denke an einen ähnlich heißen Sommertag vor gut zwei Jahren, als fast die gesamte Humana-Klinik ihren damaligen Verwaltungsdirektor Bredow zu Grabe getragen hat. Heute, zu der Beerdingung von Ingrid Fröhlich, geborene Lustig, haben sich deutlich weniger Leute eingefunden. Aber auch unter ihnen entdecke ich, wie seinerzeit, nicht wenige große Taschen und Beutel, einige Trauergäste dürften ein anschließendes Bad im Wannsee planen.
    Wir ehemaligen Geiseln sind vollständig versammelt, selbst die Patienten Sauerbier und Engels. Auch unsere telefonischen Helfer Celine und Michael sind mit dabei. Unsere Gruppe ist damit etwas größer als die der Angehörigen und Freunde der Verstorbenen. Den Mittelpunkt bildet der Untersuchungsgefangene Fröhlich, flankiert von zwei Polizisten. Mit einem der beiden ist er durch Handschellen verbunden. Renate hat Stinki aus unserer Tierpension mitgebracht, ihm ein schwarzes Tuch um den Hals gebunden. Brav sitzt Stinki neben Fröhlich.
    Der Sarg mit den sterblichen Überresten von Frau Fröhlich steht auf quergelegten Bohlen über dem ausgehobenen Grab. Im Hintergrund warten zwei Friedhofsangestellte, ihn endlich mit ihren Seilen in die Tiefe hinablassen zu können.
    Neben mir rümpft Michael die Nase, raunt mir zu: "Haben die den Sarg nicht ordentlich verschraubt?"
    Aber ich kenne den Geruch und deute diskret auf Stinki. Der hat wieder diesen zufriedenen Ausdruck in seinen Augen. Wir müssen uns unbedingt Gedanken über eine Ernährungsumstellung machen.
    Die Trauerrede des Herrn Pfarrer ist den etwas außergewöhnlichen Umständen angemessen, in Teilen klingt sogar Bewunderung gegenüber der "ausschließlich aus Liebe geborenen" Tat des hinterbliebenen Ehemanns durch. Fröhlichs Strafverteidiger wird ähnlich argumentieren, oder gleich den Pfarrer zitieren.
    Eine Geisel fehlt allerdings: unser ehemaliger Chefarzt Zentis, der, offiziell wegen psychischer Probleme in Folge seiner Geiselhaft, gekündigt hat und auf seine ehemalige Stelle beim ärztlichen Dienst der Krankenkassen zurückgekehrt ist.
    Ich bin der Polizei gegenüber dabei geblieben, mich nicht mehr genau an den letzten Anruf von Zentis erinnern zu können, schütze "retrograde Amnesie nach Psychotrauma" vor. Und Zentis soll argumentiert haben, es sei nicht seine Schuld, dass die Einsatzleitung seine Lageskizze falsch herum gehalten habe. Außerdem habe er doch noch eine Warnung gerufen, als er das Missverständnis erkannt hätte, leider allerdings ein paar Sekunden zu spät. Die Sache hat etwas von einer griechischen Tragödie. All die Risiken, die Zentis eingegangen ist. Nur weil er nichts von der zweiten Testsubstanz wusste!
    Bei Alpha Pharmaceutics wird man ein wenig erstaunt sein, wenn die Humana-Klinik mitteilt, dass die Testkapazitäten in unserer "Tagesklinik für Medikamentensicherheit" vorerst um neunzig Prozent reduziert sind. Aber man wird die Sache nicht an die große Glocke hängen, schon gar

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