Der Vierte Tag
wenigstens hat mich Frölich schon heute Morgen, nach der Entlassung von Käthe und Renate, befreit.
Ich sehe mich um, aber es gibt nichts zu tun, außer auf den Rückruf der Polizei zu warten. In meiner bürgerlichen Grundhaltung ist es mir peinlich, den Beamten, die in Kürze die Intensivstation genau untersuchen werden, mein übelriechendes Andenken auf der Toilette zu hinterlassen. Aber schließlich war es die Polizei, die uns das Wasser abgestellt hat, und außerdem ist höchstens die Hälfte dieser Hinterlassenschaft mir zuzurechnen.
Etwa zehn Minuten nach meinem Telefonat mit dem Polizeipsychologen meldet sich der Einsatzleiter, ein Herr Kühn. Man sei bereit, bestätigt er mir, Herrn Fröhlich für eine gewisse Zeit, genauer legt er sich nicht fest, in die Charité zu bringen, selbstverständlich erst nach den "notwendigen erkennungsdienstlichen Maßnahmen". Dies aber nur, wenn es keine weiteren Forderungen gäbe, was ich bejahe beziehungsweise verneine. Ansonsten sollten wir beide nach der entsprechenden Aufforderung, die wir über ein Megaphon hören würden, mit erhobenen Händen und lediglich mit einer Badehose oder Unterhose bekleidet, die Intensivstation über die Glastür in den Flur verlassen, wo man uns "entgegennehmen" würde.
Wo sollen Herr Fröhlich und ich jetzt plötzlich Badehosen herkriegen? Und meine Unterhose müsste vor einem erneuten Einsatz dringend gewaschen werden, wozu jetzt sowohl die Zeit wie sowieso das Wasser fehlen. Aber in dieser heiklen Phase will ich die Kapitulationsverhandlungen nicht durch Nebensächlichkeiten gefährden, vielleicht wird man mich nicht gleich erschießen, wenn ich statt Bade- oder Unterhose mir ein Handtuch als Lendenschurz umwickle. Was immer noch besser aussehen dürfte als unsere Einmalunterhosen aus Papier.
Trotzdem habe ich eine Bitte.
"Wäre es möglich, den Abtransport am Hintereingang abzuwickeln? Ich möchte nicht unbedingt zum Doku-Soap-Fernsehstar werden."
"Das sind Sie längst, Dr. Hoffmann."
Aber Einsatzleiter Kühn ist einverstanden, will allerdings nicht für das Fernsehen beziehungsweise dessen Abwesenheit garantieren, Deutschland sei schließlich ein freies Land.
"Aber vielleicht, Dr. Hoffmann, können wir für die Herrschaften von den Medien eine kleine Ablenkung am Haupteingang inszenieren, mal sehen. Sonst noch Probleme?"
Eines fällt mir tatsächlich noch ein, aber auch das lösen wir unbürokratisch. Wir einigen uns, dass ich Stinki angeleint mit hinausbringen werde, dann allerdings nur eine Hand in die Höhe halten kann.
"Wird der Hund Ihnen gehorchen?"
"Ich denke, ja. Solange Fröhlich ihm keinen anderen Befehl gibt. Schließlich hatte Stinki ein paar Tage Zeit, sich an mich zu gewöhnen."
"In Ordnung, Dr. Hoffmann. Bestellen Sie Herrn Fröhlich: Ein falsches Wort zu dem Hund, und sein Stinki muss dran glauben."
"Dann erschießen Sie lieber Fröhlich, das würde er vorziehen."
"Eben deshalb. Also, alles klar?"
"Glasklar."
Ich bin erleichtert. Die Einzelheiten sind ausgehandelt, es sollte keine Schwierigkeiten geben. In weniger als einer halben Stunde, schätze ich, werde ich hier endlich raus sein. Und wenig später mit einem kalten Bier unter einer heißen Dusche stehen!
"Gibt es noch Fragen von Herrn Fröhlich?" will Kühn noch wissen.
"Alles geregelt, Fröhlich. Sind Sie bereit?" wende ich mich an meinen Noch-Geiselnehmer - und erschrecke zutiefst.
Fröhlichs Gesicht ist starr, nur die Mundwinkel zucken, wie von einer lokalen Schüttellähmung befallen. Absolut kein Zittern zeigt seine Hand, in der er seine Pistole hält, und die zielt genau auf mich. Es erklingt ein Aufheulen, wie ich es mir bei einem angeschossenen Elefantenbullen vorstelle.
"Ihr seid alle gleich!", brüllt er mich an. "Alle gleich! Ärzte wollt ihr sein!"
Seine Stimme schlägt in ein schrilles Krächzen um. Seine Hand mit der Pistole zittert jetzt zwar, aber die generelle Richtung bleibt unverändert.
"Ihr wollt mich reinlegen! Ihr wolltet mich reinlegen, von Anfang an! Steckt alle unter einer Decke!"
Endlich gelingt es mir, meinen Blick von der Pistole zu lösen. Meine Augen irren durch den Raum, versuchen verzweifelt festzustellen, was passiert ist. Ich kann nichts erkennen oder wahrnehmen. Keine schattenhafte Aktivität an der Tür, kein Geruch nach Gas, keine verdächtigen Geräusche. Endlich entdecke ich die Eilmeldung, die als Endlosband in das laufende Programm von n-tv eingespielt wird.
"Das Universitätsklinikum Charité in
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