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Der Vierte Tag

Der Vierte Tag

Titel: Der Vierte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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du sicher sein?"
    "Zentis hat mich, seit er Chefarzt ist, noch nie geduzt."
    War das wirklich der Grund, weshalb ich Fröhlich und mich nach Zentis' aufgeregtem Anruf nicht ins angeblich sichere Intermediate-Zimmer geschleppt habe? War ich so sicher, dass Zentis meine Forderung nach mehr Geld und einem schönen Vital-Posten durchschaut hatte? Habe ich tatsächlich in diesem Moment Wahrscheinlichkeiten abgewogen und war zu dem Schluss gekommen, dass Zentis mehr an meinem sicheren Schweigen als an dem von Fröhlich gelegen war, in der Hoffnung, die Behauptungen eines offensichtlich gestörten Geiselnehmers leichter abwehren zu können als meine Aussage? Ich denke, es war eher eine Reflexhandlung. Oder doch die Erkenntnis, dass Zentis mich schon zu lange kannte, um meinem Angebot zu trauen.
    "Erinnerst du dich an diesen Fernsehfilm über die Geiselbefreiung in Mogadischu?" frage ich Celine. "Eine Szene daraus war mir plötzlich gegenwärtig: Während die GSG 9 die Lufthansa-Maschine stürmt, hat sich einer der Geiselnehmer im Klo des Flugzeugs versteckt. Ein GSG 9 Mann stellt sich vor die Tür und durchlöchert sie ohne jegliche Vorwarnung mit zwei, drei Salven aus seiner Maschinenpistole. Das Risiko war einfach zu hoch, dass der Terrorist im Klo noch den Zünder bedienen kann."
    Dessen jedenfalls war ich mir ziemlich sicher gewesen, dass auch die Spezialeinheit der Berliner Polizei ein solches Risiko unter allen Umständen vermeiden wollte. Nicht nur die Intensivstation schien gefährdet, vielleicht würde die halbe Klinik mit in die Luft gehen!
    Zentis' letzter Anruf war über Renates Handy gekommen. Es gab keinen Mitschnitt, dass ich wirklich gesagt hatte, Fröhlich sei jetzt allein im Intermediate-Zimmer und mache dort seine Bomben scharf. Ohne Mitschnitt gibt es aber auch nicht den Gegenbeweis, der Zentis überführt hätte. Es existiert nur eine eilig von ihm hingeworfene Skizze vom Grundriss der Intensivstation, mit einem Kreuz im Intermediate-Zimmer. Sollte das Kreuz mich oder Fröhlich markieren? Eine Frage, die sich bei diesem unbeschrifteten Plan sofort relativiert, dreht man ihn um: Dann wird das Intermediate-Zimmer zur ebenso nachträglich eingebauten Hygieneschleuse am Eingang, und diese wird zum Intermediate-Zimmer. Ich habe mich noch nicht entschieden, was ich offiziell zum letzten Akt unseres kleinen Dramas auf der Intensivstation berichten werde. Für heute nacht habe ich der Polizei erst einmal eine Vorstellung in "posttraumatischer Sprachlosigkeit" gegeben.
    Ich lasse mir ein zweites Bier kommen, "geht aufs Haus", sagt Paulchen. Gleich nach unserem Kommen hat er die Kneipentür abgeschlossen und die Vorhänge zugezogen. So werden uns die Reporter nicht finden und bald wird die Karawane weiterziehen zur nächsten, in ihrer Erwartung hoffentlich blutigeren Katastrophe.
    Celine erkennt, dass ich keine Lust habe, über Zentis zu reden.
    "Na schön, anderes Thema dann: Wo hast du die Knete?"
    Ich deute Unverständnis an, hebe die Schultern. Welche Knete? Celine untersucht meine Hosentaschen, was mich, auch nach drei Tagen Geiselhaft, erstaunlich schnell auf andere Gedanken bringt.
    "Was du da fühlst, sind keine eingerollten Euroscheine."
    Celine versichert sich einigermaßen gründlich, dass das auch stimmt.
    "Schade."
    "Außerdem hast du mir diese Hose vorhin erst selbst gebracht. Aber du kannst sitzen bleiben, meinen Besucherkittel hat schon die Polizei untersucht, wenn auch recht diskret."
    "Dann, Dr. Hoffmann, werde ich die Leibesvisitation nachher etwas gründlicher vornehmen müssen."
    Die Polizei hat in der Tat ein Problem - das Lösegeld, eine Million Euro, ist unauffindbar. Sie haben Fröhlich bis auf die Knochen ausgezogen, mich mit einigen nicht ernst gemeinten Entschuldigungen auch, dann Fröhlich gleich in der Humana-Klinik geröntgt, die Überreste der Intensivstation noch weiter auseinandergenommen, nichts. Keine Spur von dem Geld. Genau die Art von Geheimnis, die Celines graue Zellen enorm aktiviert.
    "Überleg doch mal, Felix. Wo hättest du die Knete vergraben?"
    Natürlich habe ich mir das längst überlegt, aber alle todsicheren Verstecke auf der Intensivstation, die mir eingefallen waren, hat die Polizei schon untersucht.
    "Du hast denen doch nicht etwa dabei geholfen?"
    "Nein, habe ich nicht. Sie haben die alle ohne mich gefunden."
    Celine sinniert stumm vor sich hin, eine ganze Weile. Plötzlich bekommt sie diesen Gesichtsausdruck, bei dessen Auftreten ich sonst meine, ich könne

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