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Der Vierte Tag

Der Vierte Tag

Titel: Der Vierte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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uns Mitarbeitern der Humana-Klinik besser bekannt als "die Forschungsabteilung".
    Ohne Wissen ihres Mannes besucht Frau Fröhlich also die "Tagesklinik für Medikamentensicherheit". Ein schöner Name, den sich unser Chefarzt Zentis da ausgedacht hat, und der nur ein ganz klein wenig irreführend ist. Denn es geht in unserer ehemaligen Abteilung für Geburtshilfe tatsächlich um Medikamentensicherheit. Allerdings soll diese dort erst festgestellt werden - oder dass sie eben nicht gegeben ist. Nicht nur der Name der "Tagesklinik für Medikamentensicherheit" soll Vertrauen einflößen, auch das Ambiente erinnert eher an ein gehobenes Mittelklassehotel als an den Plastikstandard, der sonst in der Humana-Klinik herrscht: gedämpftes Licht, elegante Farben, vorwiegend Holz und Leder in der Anmeldung.
    Dort also stellt sich Frau Fröhlich vor. Die Situation ist ihr unangenehm, deshalb gibt sie ihren Mädchennamen an. Aber entgegen ihrer Befürchtung findet sie sich in guter Gesellschaft: Hausfrauen wie sie, Studenten, Herren in gepflegten Kombinationen. Es besteht heutzutage kein Mangel an Leuten, die Geld brauchen und in der Methode zu seiner Beschaffung nicht allzu wählerisch sein können. Die von Frau Fröhlich erwarteten Penner und Alkoholiker trifft sie hier schon deshalb nicht, weil allgemeine Gesundheit, insbesondere unauffällige Leberwerte, Voraussetzung für die Teilnahme an solchen Medikamentenstudien sind.
    Das ist auch, nach einem kurzen Eingangsgespräch, ein wichtiger Teil der Erstvorstellung. Es wird ihr eine Menge Blut abgenommen, dann wird sie mit einem Plastikbecher auf die Toilette geschickt. Man will den Urin nicht nur auf Blutzellen oder Eiweiß untersuchen, sondern auch eine der Probandin unbekannte oder von ihr verschwiegene Schwangerschaft ausschließen. Danach muss sie einen Haufen Fragebögen ausfüllen, von den Krankheiten der Eltern und Großeltern über eigene Kinderkrankheiten und Krankenhausaufenthalte bis hin zu Trink-, Eß- und Rauchgewohnheiten. Sie muss sich mit einem HIV-Test einverstanden erklären und einem Test auf Drogen. Natürlich muss sie auch eine Einverständniserklärung unterschreiben, dann wird sie nach Hause geschickt. Man werde sich melden, sobald die Laborergebnisse vorliegen.
    Es dauert nur ein paar Tage bis zum Anruf aus der Tagesklinik. Die Laborergebnisse seien in Ordnung, Frau Lustig könne an dem Test teilnehmen, ob ihr die Bedingungen klar seien? Die sind ihr klar: Es wird drei Dosierungen des Wirkstoffs geben, jeweils eine Spritze im Abstand einer Woche. Den Tag vor und nach der Injektion müssen die Probanden in der Tagesklinik verbringen, ebenso die Nacht dazwischen, auch das ist ihr bekannt. Kommende Woche Montag könne es losgehen. Frau Lustig sagt zu.
    Immer noch erzählt sie ihrem Mann nichts von den Tests. Sie werde für ein paar Tage ihre Schwester in Mecklenburg besuchen, erklärt sie ihm, die brauche Hilfe bei der Renovierung ihres Hauses.
    "Warum nimmt man die Versuchskaninchen für nur eine Spritze eigentlich stationär auf?" unterbricht Herr Fröhlich plötzlich seinen Bericht.
    "Das kann verschiedene Gründe haben", erkläre ich ihm. "Einmal hat man so die Rahmenbedingungen im Griff. Alle Probanden essen und trinken das Gleiche, zum Beispiel. Dann kann man ihnen, so oft man will, Blut abnehmen, Blutdruck und Puls kontrollieren, allen Urin sammeln. Außerdem ist es für die Testpersonen sicherer, falls es zu irgendwelchen Nebenwirkungen kommt."
    Einen Moment befürchte ich, mit dem Wort Nebenwirkungen eine schlimme Reaktion bei Fröhlich auszulösen. Aber der bleibt ruhig und erzählt weiter.
    Zunächst sei alles normal verlaufen, es habe keine Probleme gegeben. Allerdings habe seine Frau bald über Müdigkeit geklagt, mehr geschlafen als sonst, das aber auf die Hitzewelle geschoben. Inzwischen hatte sie ihm gebeichtet, dass sie nicht bei der Schwester in Mecklenburg gewesen war, und wo und warum sie die Zeit wirklich verbracht hatte.
    "Spätestens da hätte ich ihr die Sache ausreden sollen. Irgendwie hätten wir das Geld auch so zusammen bekommen."
    Aber er hat es ihr nicht ausgeredet, und eine Woche später rückt Frau Fröhlich zur nächsten Dosis in die "Tagesklinik für Medikamentensicherheit" ein. Danach hält die Müdigkeit an, dramatischere Symptome gibt es vorerst nicht.
    "Aber irgend etwas muss dann schiefgelaufen sein!" Fröhlich tippt mir mit dem Zeigefinger auf die Brust, was ich hasse. "Warum sonst hat diese Tagesklinik nach dem zweiten

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