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Der Vierte Tag

Der Vierte Tag

Titel: Der Vierte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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verstanden habe und wiederhole deshalb kurz seine Geschichte.
    Seine Ehefrau, Frau Fröhlich, hat unter dem Namen Lustig als gesunde Testperson an einem Test für ein wahrscheinlich noch nicht zugelassenes Medikament teilgenommen. Vermutlich handelte es sich um ein Medikament, das die Aufnahme von Nährstoffen aus dem Darm einschränkt. Soweit ihr Ehemann weiß, hat sie zwei Testdosen bekommen, und zwar im Abstand von einer Woche. Schon bald nach der ersten Testdosis hat sie über Müdigkeit und Abgeschlagenheit geklagt, später kam es zusätzlich zu Juckreiz, Appetitlosigkeit und Gelbsucht, also recht typischen Symptomen einer akuten Lebererkrankung. Gegenüber ihrem Ehemann verschweigt sie diese Symptome relativ lange. Als ihr schlechter Zustand offensichtlich wird, packt der sie in sein Auto und fährt sie in die Humana-Klinik, jetzt eine logische Wahl, hat sie doch hier an den Tests teilgenommen. Frau Fröhlich wird stationär aufgenommen und noch am selben Tag auf die Intensivstation verlegt, wo sie noch immer ist, und zwar im Leberkoma. Was allerdings nicht unbedingt heißt, dass ein Zusammenhang zwischen dem an Frau Fröhlich getesteten Schlankmacher und ihrem Leberkoma besteht. Zumal Frau Fröhlich, wie ihr Mann erzählt hat, nicht die einzige Testkandidatin in der Tagesklinik war, die Intensivstation aber nicht mit weiteren Patienten im Leberkoma belegt ist.
    Und ich habe keine Ahnung, ob mir Herr Fröhlich nicht doch noch etwas verschweigt. Aus langer Erfahrung weiß ich, so unglaublich das für den Nicht-Arzt auch klingen mag, dass Patienten oder Angehörige selbst in kritischsten Situationen wichtigste Informationen zurückhalten, zumeist, weil sie ihnen peinlich sind.
    "Habe ich Sie so richtig verstanden?" frage ich Geiselnehmer Fröhlich am Ende meiner Zusammenfassung. "Und haben Sie wirklich alles erzählt, was sie über die Sache wissen?"
    "Sie haben versprochen, dass Sie meiner Frau helfen könnten, wenn ich Ihnen alles erzähle. Also habe ich Ihnen natürlich alles berichtet, was ich weiß. Und Sie haben alles richtig verstanden." Herr Fröhlich macht eine Pause, schaut nicht mich an, sondern seine Frau. "Also, werden Sie uns jetzt helfen?"
    War er gerade noch aggressiv, so ist er nun nur noch ein Mann, der seine letzte Karte ausgespielt hat. Hat es Sinn, ihn darauf hinzuweisen, dass ich nicht versprochen habe, in Kenntnis der Fakten sicher helfen zu können? Ich stehe dem Mann gegenüber, der mir wiederholt seinen Revolver an den Kopf gehalten hat. Trotzdem bringe ich das nicht fertig.
    Außerdem ist es für Ärzte schwierig, den Kampf gegen eine Krankheit aufzugeben, die Grenzen der Medizin zu akzeptieren. Mit Fröhlichs Genehmigung und nach Vermittlung der Polizei erreiche ich Intensivarzt Valenta über sein Handy am Strand von Usedom, unterbinde seine Fragen zu unserem Wohlergehen im allgemeinen und Schwester Renates im besonderen, und gemeinsam zaubern wir doch noch ein Kaninchen aus dem Hut. Aber noch während wir es hervorzaubern, denke ich, wir hätten es lieber in seinem Hut gelassen, zumal auch dieses Kaninchen zu spät kommen dürfte.
    "Vielleicht gäbe es noch eine Chance an der künstlichen Leber."
    "Was ist das? So etwas wie die künstliche Niere?"
    "Im Prinzip ja. Erheblich komplizierter allerdings, deshalb hat sich die Methode noch nicht allgemein durchgesetzt."
    Herr Fröhlich versucht in meinen Augen zu erforschen, was genau "erheblich komplizierter" und "noch nicht allgemein durchgesetzt" bedeutet.
    "Wir können nichts verlieren mit Ihrer künstlichen Leber, oder?"
    "Ich glaube nicht", antworte ich wahrheitsgemäß.
    "Also schließen Sie diese Maschine an. Worauf warten wir noch!"
    So einfach ist die Sache nun wieder nicht.
    "Wir haben an der Humana-Klinik keine künstliche Leber, können uns so eine Maschine nicht leisten, weil diese Behandlung von den Krankenkassen nicht bezahlt wird. Dazu müssten wir Ihre Frau verlegen."
    Wieder mischt sich Misstrauen in die Züge von Herrn Fröhlich.
    "Sie meinen, weg von hier?"
    "Ja."
    "Und wohin?"
    "In die Charité. Dort beschäftigen sich die Kollegen schon eine ganze Zeit mit dieser Methode."
    Fröhlich steht vor einem Dilemma: Selbst wenn das mit der künstlichen Leber kein Trick von mir ist, würde es bedeuten, erneut von seiner Frau getrennt zu sein, die Behandlung nicht überwachen zu können. Würde dann auch in der Charité bald beschlossen werden, die Maschinen abzuschalten?
    "Ich weiß nicht, was Sie argwöhnen, Herr Fröhlich,

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