Der Vierte Tag
mich schließlich zu der Datei "Extern" - das könnten die Laboruntersuchungen für die Tagesklinik sein. Aber ich komme nicht hinein, auch nicht mit den paar Hakertricks, die mir Celine gelegentlich gezeigt hat. Ich vermute, die besten hat sie für sich behalten.
Ich mache mir eine mentale Notiz, Celine nachher zu bitten, die Klinik-EDV anzuzapfen, und will mich gerade aus dem Labor ausloggen, als mir noch etwas einfällt. Blödmann! Ich gebe "Ingrid Fröhlich" als Patientennamen ein: "Kein Eintrag unter diesem Namen". Bei "Ingrid Lustig" allerdings purzeln jede Menge Werte auf den Bildschirm – was bin ich doch schlau! Nicht wirklich, erkenne ich schnell, denn die Werte beginnen erst mit dem Tag, an dem Frau Lustig/Fröhlich Patientin der Humana-Klinik wurde. Die kenne ich. Aber weiterhin nicht die Laborergebnisse für die Testkandidatin Lustig oder Fröhlich.
Im bewährten Verfahren werden inzwischen unsere Pizzas und die Getränke geliefert. Fast wie bei einem normalen Hauslieferservice, nur dass der Bote wieder lediglich mit einer Badehose bekleidet ist – und dass er weder eine Rechnung präsentiert noch auf Trinkgeld wartet. Und anders als im wirklichen Leben sind die Pizzas tatsächlich warm!
Aber es droht die übliche maximal lauwarme Pizza zu werden, denn Herr Fröhlich fordert mich auf, die Teile auf mögliche Gifte oder Drogen zu untersuchen.
"Wie stellen Sie sich das vor, Herr Fröhlich? Ich bin Arzt, kein Toxikologe. Und über eine entsprechende Laboreinrichtung verfügt die Intensivstation nicht."
"Meinen Sie", fragt Renate, "die würden uns alle vergiften? Woher sollen die wissen, welche Pizza für Sie bestimmt war?"
Käthe hat inzwischen jede Pizza in vier Viertel geteilt und beißt herzhaft in ihre Vierjahreszeiten.
"Ich jedenfalls esse meine Pizza, bevor sie schlabberig ist!"
Ich will es ihr gleichtun und kralle mir die Thunfischpizza.
"He, du hast vegetarisch bestellt. Thunfisch ist meine!" protestiert Renate.
"Gar nicht wahr", widerspreche ich und blicke hilfesuchend zu Käthe, die sich doch erinnern muss, für wen sie welche Pizza bestellt hat.
"Kinder, nicht immer den gleichen Streit! Es wird doch sowieso getauscht."
Diesem Argument müssen selbst Renate und ich beipflichten, so dass die nächste Zeit mit geselligem Gemampfe und Nachspülen verbracht wird. Ich habe mich für ein Bier entschieden, Renate und Käthe für Mineralwasser, Herr Fröhlich trinkt Cola. Seine Pizza Salami lässt er unberührt.
"Sie müssen auch etwas essen", lautet Käthes mütterliche Forderung an ihn.
"Kein Hunger", die knappe Antwort.
"Er hat wahrscheinlich Angst, dass die Polizei in alle Pizzas ein starkes Schlafmittel gemischt hat", meint Renate.
Käthe kommentiert diese Möglichkeit mit einem herzhaften Gähnen.
"Also, wenn ich gleich einschlafe, liegt das nicht an irgendetwas in der Pizza. Eher am Schlafdefizit“
Inzwischen ist tatsächlich nur noch eine Pizza übrig. Ich schlage Herrn Fröhlich vor, er könne sie doch an seinem Hund testen. Das trägt mir einen empörten Blick von unserem Geiselnehmer ein, doch aus dem Blick tiefer Empörung wird schnell ein Blick tiefster Besorgnis.
"Wo ist der Hund!"
Eigentlich ist sein blöder Hund nicht unser Problem, trotzdem springen auch wir auf und beteiligen uns einmal mehr an der Suche. Denn vielleicht ist der Hund doch auch unser Problem, vielleicht ist er das letzte stabilisierende Element für den verstörten Herrn Fröhlich. Die Suche ist allerdings bald beendet, der Hund diesmal weder unter einem der Betten noch nebenan im Intermediate-Zimmer zu finden.
Herr Fröhlich rastet zunehmend aus, baut sich mit wutverzerrtem Gesicht vor Käthe auf, die unsere Pizzas an der Tür entgegengenommen hatte, und brüllt sie an.
"Sie sind Schuld! Sie haben Stinki mit Absicht rausgelassen! Das wird Ihnen noch leid tun!"
Es wird Zeit, dass ich mich einmische.
"Fröhlich! Halten Sie mir meinetwegen wieder Ihre blöde Pistole an den Schädel, versuchen Sie sonst was, aber schreien Sie, verdammt noch mal, Schwester Käthe nicht an. Nie wieder!"
Auch ich lasse ganz gerne mal den Helden raus, wenn es nur genug Leute hören und das Risiko überschaubar scheint.
Einen Moment sieht mich Herr Fröhlich überrascht an, bleibt dann aber bei seiner Meinung: "Das war Absicht. Nie wäre Stinki von alleine weggelaufen!"
Er stürmt ans Telefon, meldet sich erstmalig selbst bei der Polizei am anderen Ende und fordert, dass Stinki sofort gefunden und zurückgebracht
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