Der Vierte Tag
Hackertums, oder in Singapur, wo immer du willst. Der ist immer online, auch auf dem Klo. Und braucht natürlich nicht nach Berlin zu kommen, um uns zu helfen. Die Sache hat noch einen weiteren Vorteil: Haben wir uns erst einmal hier und dort Zutritt zur EDV verschafft, können wir uns die eigentliche Suche teilen und kommen schneller voran."
Celine erklärt mir noch ein paar technische Details, achtet aber weiter darauf, weder die Namen der Institutionen, in deren Datenbanken sie sich "umschauen" möchte, noch Namen ihrer etwaigen Helfer zu erwähnen. Vielleicht, meint sie, werde die Nacht nicht ausreichen. Hacken sei richtige Arbeit.
"Macht nichts. Meine Schüler werden sich freuen, wenn die Mathematik-Arbeit morgen ausfällt."
Sie wünscht uns noch alles Gute, ich versichere ihr, nicht ganz wahrheitsgemäß, dass die Lage stabil und ruhig sei. Dann ist das Gespräch beendet.
Unser Geiselnehmer hat natürlich genau zugehört, war aber mit einem Augen beim Fernsehen, wo Renate und Käthe die neuesten Entwicklungen um uns verfolgen. Inzwischen haben die Leute von den Fernsehanstalten Wind von der Suche nach Schäferhund Stinki bekommen, wahrscheinlich verdient sich jemand bei der Polizei ein kleines Zubrot mit gelegentlichen Tipps an die Journalisten.
Die dramatischste Version liefert RTL. "... wird jetzt mit großem Polizeiaufgebot nach einem Schäferhund mit schwarzen Ohren und weißgesprenkelten Pfoten gesucht. Der bisher immer noch nicht identifizierte Geiselnehmer soll mit dem Tod einer der verbliebenen Geiseln gedroht haben, sollte ihm sein Hund nicht bis spätestens zweiundzwanzig Uhr zurückgebracht worden sein."
Schönen Dank, Herr Reporter. Eine hervorragende Anregung und sehr aufmerksam von Ihnen, unseren Herrn Fröhlich auf den Gedanken zu bringen! Ich suche nach einer Reaktion bei Fröhlich, erkenne auch bei ihm ein gewisses Erstaunen.
Es wird eine Telefonnummer eingeblendet, die man anrufen soll, wenn man den Schäferhund mit schwarzen Ohren und weißgesprenkelten Pfoten gesichtet hat. Ich möchte zurzeit kein streunender Schäferhund in Berlin sein und bin gespannt, wie viele Tiere man uns hier bald anliefern wird.
Am Ende findet man Stinki am Haupteingang der Humana-Klinik. Genau dort, wo er gestern mit seinem Herrchen in die Klinik gekommen ist. Die Aufnahmen von dem brav vor unserem Eingang sitzenden Hund kommen auf allen Kanälen und bringen unserem Geiselnehmer sicher erneut eine Menge Sympathiepunkte beim deutschen Fernsehpublikum ein.
Die Polizei ist schlau genug, Stinki ohne Gegenforderung in die fünfte Etage zu bringen. Fröhlich fummelt wieder an den Sprengstoffpäckchen, dann darf Käthe die Tür öffnen. Stinki saust den leeren Flur entlang und fliegt in die Arme seines Herrchens.
Der zweite Abend unserer Geiselhaft bricht an, wobei man im Juli den beginnenden Abend nur an Uhrzeit oder Fernsehprogramm festmachen kann, und wir sind wieder eine friedlich vereinte Familie. Mit unseren Sprengstoffgürteln allerdings eine ziemlich explosive Familie. Die eigentliche Zeitbombe aber bleibt unser Geiselnehmer mit seiner zunehmenden Labilität.
Wir haben uns nicht nur daran gewöhnt, vor jeder Aktivität die Erlaubnis von Herrn Fröhlich einzuholen. Ebenso stört uns kaum noch die offene Klotür, wenn unser Geiselnehmer seine Geschäfte verrichtet, noch der Geruch von Pansen und Labmagen, wenn er jetzt die Mahlzeit für Stinki herrichtet.
Ob er sich schon Gedanken gemacht hat, wie er dem lieben Stinki das nächste Mal die Verrichtung seiner Notdurft ermöglichen wird? Will er ihn an die Toilette gewöhnen? Wird einer von uns mit Stinki Gassi gehen müssen, mit Todesdrohung für die Mitgeiseln, wenn Mensch und Tier nicht innerhalb einer gesetzten Frist zurückkommen? Wenigstens in diesem Punkt hat unser Herr Fröhlich bei der Planung einen Fehler gemacht. Oder hat er wirklich angenommen, die Sache sei in ein paar Stunden erledigt?
"Also, alles was recht ist, dieser Gestank ist unerträglich. Können Sie das Futter nicht in der Teeküche machen?" höre ich jetzt Renate.
Offensichtlich sind unsere Toleranzschwellen unterschiedlich, und ich sollte nicht von mir auf meine Mitgeiseln schließen.
Brav zieht sich Fröhlich mit Pansen und Labmagen in die Teeküche zurück, Stinki natürlich hinterher, nicht ohne uns einen erwartungsvollen Hundefurz zu hinterlassen. Schon wenig später hören wir sein unverwechselbares Schlabbern.
Nachdem er den Hund versorgt hat, fällt unserem Herrn
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