Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)
prominenteste, fett und groß gedruckte Warnung lautete:
Auf Grund des am 1. Oktober 1927 in Kraft getretenen Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten ist das Anbieten und der Verkauf der Elektroden Nr. 17, 19, 20, 21, 22, 26 an Privatpersonen bei Strafe verboten. Das Anbieten und der Verkauf dieser Elektroden darf nur an Ärzte oder von Ärzten geleitete Heilanstalten erfolgen.
Damit war nicht nur klar, welche Geräte man am Besten benutzen sollte, sondern auch, woher man sie bekam.
ELEKTRISCHER VIELFACH-VIBRATOR
MASSIERT DIE KOPFHAUT
480 künstliche Finger geben der Kopfhaut bei diesem kürzlich vorgestellten Vibrator eine sanfte, wohltuende Massage. Dank ihres geringen Gewichtes kann die Apparatur mit Hilfe von zwei bequemen Handgriffen leicht selbst bedient werden. Die vier vibrierenden Teller arbeiten in Einklang miteinander. Die Maschine soll die Zirkulation des Blutes zur Kopfhaut und zu den Hirnzellen stimulieren und alle Schuppen und losen Haare entfernen.
( Popular Science , Oktober 1940)
So nutzt man den neuen Vibrator. Das kleine Bild zeigt die vier Scheiben.
AUGENTRAINER KORRIGIERT SEHFEHLER
B asierend auf der Theorie, dass der menschliche Augapfel durch den gegenläufigen Zug starker und schwacher Muskeln außer Form gebracht wird, was die Fokussierung des Lichts beeinflusst und Kursichtigkeit, Weitsichtigkeit und Hornhautverkrümmung verursacht, hat der New Yorker Augenoptiker Dr. Nelson Y. Hull eine neuartige Maschine erfunden, um die Augenmuskeln zu trainieren.
Das Gerät besteht aus einem Ball am Ende eines gebogenen Eisenstabs, der mithilfe einer kleinen Kurbel in Drehung versetzt wird. Die Augen werden dadurch trainiert, indem man den Bewegungen des Balls folgt.
Für die Nahsicht wird der Ball zunächst horizontal vor den Augen bewegt, um die Muskeln anzusprechen, die jedes Auge zur Nase hin-bzw. davon wegbewegen. Anschließend wird der Ball in der Senkrechten bewegt. Das trainiert die Muskeln, die das Auge auf und ab bewegen.
Für die Fernsicht werden die Quermuskeln ins Spiel gebracht, indem man den Ball sowohl nach rechts als auch nach links kreisen lässt.
Hornhautverkrümmung wird durch die eine oder andere der zuvor geschilderten Methoden korrigiert oder durch eine Kombination aus beiden.
Gesunde Augen, behauptet Doktor Hull, können durch regelmäßiges Training, das alle Muskeln anspricht, in Form gehalten werden.
( Popular Science , August 1923)
Gib mir Energie:
Gesundes für Körper und Brieftasche
Zu den nachhaltigsten Spätfolgen der Experimente von Luigi Galvani und seiner Nachfolger gehörte der fest in den Köpfen verankerte Glaube an eine direkte Verbindung zwischen Elektrizität und Lebenskraft. Da ist es kaum verwunderlich, dass Strom sofort auch in der medizinischen Therapie eingesetzt wurde – mal mit völlig überzogenen und unfundierten Erwartungen, mal pragmatisch und wirksam. Denn natürlich gibt es Anwendungen der Elektrotherapie, die tatsächlich wirksam sind – bis hin zur Möglichkeit, ein aus dem Takt geratenes Herz mit gezielten Schocks wieder zum Schlagen zu bringen (1899 von Jean-Louis Prévost und Frederic Battelli entdeckt).
Strom als Potenzmittel: Anzeige aus »Jugend« (ca. 1910)
Die meisten frühen Elektrotherapien des 19. Jahrhunderts waren jedoch von weit weniger sichtbarer Wirksamkeit. Als Erstes verbreiteten sich sogenannte galvanische Anwendungen: Sie basierten vor allem auf Wärmeeffekten, die man mittels Gleichstrom produzierender Batterien und Elektroden verursachte und hauptsächlich bei muskulären Schmerzzuständen und Gelenkproblemen einsetzte – und tatsächlich mit Erfolg. Auch die daraus entwickelten galvanischen Bäder finden bis heute Anwendung, wenn auch eher im Kur-und Wellness-Bereich. Tatsache ist, dass sich mit solchen Anwendungen die Durchblutung der Haut und der darunterliegenden Gewebeschichten messbar erhöhen lässt – für viele Schmerzpatienten eine Wohltat. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts begann man, galvanischen Bädern Zusätze beizumischen – in der Annahme, dass der Strom die Wirkstoffe in die Haut und damit in den Körper übertragen würde. Und auch die elektrische Stimulation von Nerven kann sinnvoll sein und therapeutisch wirken.
Auch der kleinste Effekt war zudem besser als gar kein Effekt: Kaum eine wissenschaftliche Disziplin machte vom 18. zum 19. Jahrhundert größere Fortschritte als die Medizin. Gehörte das Anlegen von Schröpfgläsern noch Mitte des 18. Jahrhunderts zu den
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