Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)
Stunde zum Verschwinden gebracht werden. Die elektrische Behandlung ist schmerzlos.
Wie der New Yorker Physiologe Dr. Norman Titus erklärt, besteht das Gerät aus einer simplen positiven und negativen Elektrode. Die Patientin hält die negative Elektrode, während der behandelnde Arzt mit der positiven Elektrode auf die Verfärbung »zielt«. Das elektrische »Bombardement« der statischen Maschine bricht das geronnene Blut auf. So können die Kapillargefäße wieder einen freien Blutfluss aufnehmen und die Verfärbung forttragen.
( Modern Mechanics , Dezember 1936)
Galvanik extrem: Leichen in Silber
Galvanische Bäder mit Zusatzstoffen, die per Strom auf den Körper übertragen werden sollen – die Parallele zum Galvanisieren von Werkstoffen ist weder Zufall noch zu übersehen: Galvanische Bäder nutzt man in industriellen Verfahren, um Stoffe mit Metallen zu ummanteln. Bereits 1836 vergoldete so die Essgeschirrmanufaktur Eklington in England ihr Edelbesteck. Moritz Hermann von Jacobi erfand im Folgejahr das Verfahren, nicht leitende, also auch nicht metallische Materialien mithilfe einer elektrisch leitfähigen Graphitschicht galvanisch zu verkupfern. Von dort war es nicht weit bis zu einer der bizarrsten Ideen dieses Themenfelds: der Präservierung von Leichen per Galvanisierung.
Wahrscheinlich kamen als Erste die Franzosen Eugène Théodore Noualhier und Jean Baptiste Prevost auf diese abstruse Idee. Bereits am 1. Januar 1857 wurde ihnen das ein halbes Jahr zuvor beantragte Patent für die Verbesserung der Verfahren zur Applikation von Metallen auf nichtleitenden Materialien zugesprochen. Schon der Patentantrag schilderte ausführlich die beabsichtigte Nutzanwendung: Mittels metallischer Salze machten die beiden tierische und menschliche Haut leitfähiger, damit sie im galvanischen Bad dann metallische Ionen besser aufnehmen kann. Letztere sollten sich dann als millimeterdünner Film vollständig und lückenlos um den Körper legen. Aus der körperlichen Hülle sollte so eine regelrechte Statue werden.
Durchgesetzt hat sich das Verfahren offensichtlich nicht, aber totzukriegen war die Idee auch nicht – sie schien einfach zu plausibel. Einem Pariser Doktoren namens Verlot kann man unterstellen, dass er vom Versuch seiner Vorgänger gehört haben mag, als er 1891 ein Leichen-Konservierungsgeschäft begründete, für das er sich Kunden vor allem unter trauernden Eltern erhoffte – die Kindersterblichkeit war damals noch enorm hoch.
Ein namenloser Geistesverwandter in Philadelphia mag hingegen wirklich geglaubt haben, er hätte etwas Neues, Eigenständiges erfunden – der Ann Arbor Courier , der am 15. Juni 1887 über ihn, respektive seine Idee berichtete, ging zumindest davon aus. Dem Bericht zufolge wollte der namenlose Amerikaner metallene Toten-Statuen anfertigen, deren Güte »die faltigen Antlitze der ältesten Mumien zum Erröten« bringen würde. Seine Vorfahren würde man nicht mehr länger dem Verfall überlassen müssen, sondern wäre in der Lage, sie über Jahrhunderte zu präservieren.
Was man mit ihnen dann anfangen sollte – in den Garten stellen? –, erwähnt der Bericht nicht, wohl aber, wozu die Leichen von anonymen Ertrunkenen und Selbstmördern künftig gut sein könnten: Von ambitionierten Studenten der Künste in klassische Posen gebracht, könnten sie Museen füllen – oder Schaufenster, als Kleiderpuppen von ungeahnter Perfektion. Sicher würden die Bestattungsunternehmer in Zukunft fragen, wie man seinen Toten gerne haben möchte: »In Kupfer, Nickel, Silber oder Gold?«
Goldige Aussichten, die man auch in Neuseeland verlockend fand. Dort hatte 1887 ein Galvaniseur namens Downing eigene Versuche angestellt, die zum gleichen Ergebnis führten. Sein erstes verblüffendes Meisterwerk war ein in Silber galvanisiertes Ei, das einem zeitgenössischem Zeitungsbericht zufolge nicht nur von höchster Perfektion und Anmut war, sondern auch ein ganzes Jahr lang frisch blieb – es soll zumindest nicht gestunken haben, als man es aufschlug. Das wiederum habe Downing dazu inspiriert, an dieser Stelle weiterzumachen – man darf dreimal raten, womit. Ob er Kunden für diese neue Dienstleistung fand, ist nicht überliefert, klassischen Bestattungsmethoden machte er jedenfalls keine nachhaltige Konkurrenz.
Immer wieder wurde die Galvanisierungsidee aufgewärmt. 1911 mischte sich der Schriftsteller Ambrose Bierce, ein Meister satirisch-zynischer Untertöne, in eine gerade wieder
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