Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)

Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)

Titel: Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Patalong
Vom Netzwerk:
angeblich wirkungsvollsten Universalkuren, begann sich schon im frühen 19. Jahrhundert eine Gerätemedizin zu entwickeln – und Strom war eine der Innovationen, die nicht nur ernsthafte Forscher auf den Plan rief, sondern auch jede Menge Scharlatane.
    Kein Wunder, denn im Grunde waren die Maschinen höchst einfach aufgebaut und zu kopieren oder zu simulieren. In der Regel bestanden sie aus einem Batterieblock und Elektroden, justierbar oder auch nicht. Sie waren mobil und gehörten bald zur Grundausstattung jedes Landarztes. Es dauerte nicht lange, da fluteten auch galvanische Geräte für den Heimgebrauch den Markt. Mitte des 19. Jahrhunderts saß so mancher gesundheitsbewusste Zeitgenosse des Abends am Küchentisch, Füße und Hände in kleinen Wasserwannen, die wiederum mit einer galvanischen Batterie verbunden waren. Die Werbung damals verkaufte das als Aufladung, als Kraftquelle, als Frischekur für die männliche Potenz.
    Wirkten sie? Das muss wohl so sein, denn solche Kuren und Apparate hielten sich von circa 1850 bis weit in die 1930er – und in Wahrheit sogar bis heute, wie ein nachmittäglicher Besuch bei einem Shopping-TV-Kanal schnell verdeutlicht. Dort werden bis heute Apparate verkauft, die durch reinen Stromfluss stärker, schöner oder gesünder machen sollen. Das Gros dieser Geräte baut heute wie damals auf den Placebo-Effekt, auch wenn das vor 150 Jahren noch nicht einmal den Ärzten klar gewesen sein mag.
    Eindeutig wirkungslos waren beispielsweise all die rein magnetischen Gürtel und Armbänder, Schuheinlagen, Stirnreifen, Betteinlagen und was den Quacksalbern sonst noch einfiel, die den Menschen mit angeblich heilsamen magnetischen Strahlen versorgen sollten. Gerade Männer trugen sie gerne unter der Kleidung, hielten sie für eine Art Batterie: Magnetismus war kaum weniger geheimnisvoll als Elektrizität. Warum sollten unsichtbare Felder, die Anziehung auf feste Körper ausübten, nicht auch auf den menschlichen Körper eine heilsame Wirkung haben?

    Für die Dame von Welt gab es derweil Korsetts und Corsagen mit Stromversorgung, dazu elektrisch geladene Haarbürsten, um den Haarwuchs anzuregen. Das wahrscheinlich einzige wirksame elektrisch geladene Kleidungsstück geisterte Anfang der 1920er Jahre durch die US-Presse: ein Abendkleid mit Beleuchtung, das seine Wirkung kaum verfehlt haben dürfte.

    Ein Höhepunkt der Abzocktricks mit Strom-oder Magnetgeräten für den Körper war der magnetische Gürtel mit Stromversorgung – wozu auch immer. Ein spätes, bis heute aber das berühmteste Modell dieser Quacksalber-Gerätschaften war der I-ON-A-CO, entwickelt und vertrieben von Gaylord Wilshire, einem der prominentesten amerikanischen Millionäre der Roaring Twenties.
    Sein Gürtel bestand aus nicht mehr als zwei mit Leder ummantelten Spulen von Schwimmreifen-Größe, die per Netz mit Strom versorgt wurden und so angeblich irgendwelche Felder aufbauten. Wilshire, ein bekennender Sozialist, der es als Immobilien-Größe und Verleger zu Ruhm gebracht hatte, ließ die Gürtel ab 1926 für nicht ganz drei Dollar herstellen und verkaufte sie für satte 57 Dollar weiter – was derart teuer war, musste ja wohl wirksam sein. Heilen wollte er damit so ziemlich alles von Gicht bis Krebs. (Ja, so eine platte Abzocke kann auch im 20. Jahrhundert noch ganz prächtig funktionieren.) Nach Wilshires Tod im Jahr 1928 kopierte einer seiner Angestellten das Konzept, ließ es sich patentieren und verkaufte die Gürtel fortan unter der futuristischen Bezeichnung Theronoid, ebenfalls mit einigem Erfolg.
    Die Verkäufer warben mit kostenlosen Probesitzungen um das Vertrauen der Kunden: Völlig kostenlos konnte man in die eigens eingerichteten Verkaufsläden und die Geschäfte der Lizenznehmer gehen und dort einen Stromgürtel zur Probe tragen.
    Man kann davon ausgehen, dass der Placebo-Effekt bei menschlichen Kunden für einige Erfolgs-und Heilungserlebnisse sorgte – doch wie konnte der Verkauf solcher, in diesem Fall besonders großer Geräte sogar an Pferdehalter gelingen? Von Magnetismus und Elektrizität haben die meisten Pferde bekanntlich keine Ahnung.
    Große elektrische Gürtel wie der I-ON-ACO gehören zu den bizarrsten Beispielen für Strom-Quacksalberei
    ELEKTRISCHE »BOMBARDEMENT«-BEHANDLUNG HEILT BLAUE AUGEN

    E in entstellendes und durchaus auch peinliches blaues Auge kann nun unter Einsatz einer neuen statischen Maschine, die das Auge mit Elektrizität »bombardiert«, in weniger als einer

Weitere Kostenlose Bücher