Der Vollzeitmann
war gut.
»Die Grundidee der Ehe war im Prinzip gut, sie hatte nur eine Schwachstelle, das Lebenslängliche.«
Aber Ulrike wollte einfach nur nach Hause. Sie schwieg ihn den ganzen Tag lang an. Maik bekam einen ersten Eindruck, wie ihre Ehe in zwanzig Jahren ablaufen würde. Er hatte einen unglaublichen Horror davor, so zu werden wie manche Paare im Hotel, die sich schon beim Frühstück nichts zu sagen hatten und gelangweilt bis genervt überall hinschauten, nur nicht auf den Menschen auf der anderen Seite des Tisches, mit dem sie zusammenlebten. Beide hatten sich über die Zeit hineingesteigert in ihre Agonie, so wie Ulrike in Nizza.
Nizza war ein Drama, das keines hätte sein müssen. Aber sie wollte es so. Und er trug die Schuld, für den Rest seines Lebens. »Nizza« - das war Ulrikes Codewort, wann immer sie Maik als trunkenen Totalversager hinstellen wollte.
Die Pfosten hörten interessiert zu. Sie kannten die Nizza-Story natürlich schon lange. Aber sie wollten wohl wissen,
wann, wo und wie oft Ulrike diese Totschlag-Geschichte einsetzte.
Der Pfosten goss seiner Frau einen Schluck alkoholfreies Bier nach, um die Situation zu entspannen.
»Du bist so gut zu mir«, sagte sie.
»So bin ich«, sagte er.
»Ist mir noch gar nicht aufgefallen«, sagte sie schnippisch. »So gut kennst du mich also«, sagte er.
»Kannste mal sehen«, sagte sie.
Kannste mal sehen - wie dämlich klang das, und zwar schon seit dem Kartoffelkrieg. Maik kotzte innerlich. Diesen Dialog hatte er schon häufiger gehört als die Nizza-Story. Wie würden diese beiden Menschen erst miteinander umgehen, wenn sie alt und krank waren?
Warum konnte die Pfostin nicht einfach damenhaft die Klappe halten? Weil die moderne Frau sich als Selbstbewusstseinsmaschine verstand, die immer »Macho« dachte und glaubte, sich behaupten zu müssen. Sie waren keine Damen, sondern Soldatinnen, jede Sekunde ihres Lebens im Krieg für eine Emanzipation, die längst Tatsache war. Dabei waren leider einige schöne Spielarten des Miteinanders verloren gegangen: der Flirt, das Anmachspiel, Werben, Erröten, Erregen.
Die Grundidee der Ehe war im Prinzip gut, sie hatte nur eine Schwachstelle, das Lebenslängliche. Dabei ging es doch nur um Phasen, die Aufzucht der Kinder zum Beispiel. Danach könnte jeder wieder seinen Weg gehen, Spaß haben, Neues probieren. Wenn man sich leichter würde trennen können, bekäme das Zusammenbleiben einen viel tieferen Sinn. Aber das war mit Frauen natürlich nicht zu machen. Frauenliebe war immer ewig.
Aber Maik würde diese Erwartung nicht erfüllen: Eines Tages wäre er weg.
1 UHR
Martin schlief tief und traumlos. Nur einmal wurde er kurz wach, als ihm jemand die warme Wolldecke überlegte. Von ferne hörte er die Stimmen von Dorothea und Holtkötter. Was wollte der Kerl noch hier? Was wäre, wenn die beiden sich jetzt liebten, in der Küche, Holtkötter, der mit seinem armdicken westfälischen Bullenglied unter Dorotheas hochgeschobenen Rock drängte. Martin gähnte und drehte sich um: Es war ihm egal.
Benommen ging Lars zum Tresen und bestellte noch einen Gin-Tonic. Doro ging nicht ans Telefon und antwortete auf keine SMS. Er fühlte sich plötzlich sehr einsam. Er rief einmal kurz Sandy an, aber die hatte schon auf Mailbox geschaltet. Er schickte Tanja eine SMS: »Noch wach?«.
Die Sache mit Doro ärgerte ihn sehr, weil er die Lage völlig falsch eingeschätzt hatte. Wo war sein Instinkt geblieben? Außerdem war er fest davon ausgegangen, heute Sex zu haben, und zwar mit ihr. Und jetzt? Woher Sex kriegen - um diese Zeit, mitten in der Woche? Zum anderen mochte er es nicht, wenn ihn jemand nicht mochte. Die Zuneigung anderer war der Boden, auf dem er sich sicher fühlte. Jeder Zweifel verunsicherte ihn. Er schaute sich um. Alle hatten Spaß, nur er nicht. Alle waren jung, nur er nicht.
Lars hätte jetzt gehen können. Aber er wollte noch nicht aufgeben. Er kontrollierte seinen Blick im Spiegel hinter der Bar und zog den Hemdkragen etwas höher. Er sah gut aus, das beruhigte ihn. Der Laden war brechend voll. Überall standen kleine Grüppchen. Er war allein. Er wäre jetzt auch gerne Teil eines kleinen Grüppchens.
Manchmal fragte er sich, wie lange er dieses Leben noch würde durchhalten können, wie er sich in fünf oder zehn Jahren fühlte, und vor allem, wo. Schon jetzt war er fast immer mit Jüngeren unterwegs. Das war natürlich extrem cool. Aber auch ein Akt der Selbstverteidigung. Wer ging denn schon in
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