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Der Vollzeitmann

Titel: Der Vollzeitmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Achilles
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Er hatte seine Taschen dreimal durchsucht. Er hatte unter dem Sitz gewühlt, in der Tür, in allen Ablagen.
    Was war überhaupt geschehen? In seinen Adern lieferten sich Adrenalin und Alkohol ein dramatisches Gefecht. Erinnerungsfetzen trieben durch sein Hirn. War er wirklich in dieser Thai-Bar gewesen? Oder hatte er einen feuchten, trunkenen Traum gehabt?
    Erstmal die Fakten: Es war halb sechs und er nicht zu Hause. Ulrike würde ihn ermorden. Er würde nicht mal eine Chance bekommen, sich zu erklären. Wo war das verfluchte Handy? Immerhin trug er sein Portemonnaie noch bei sich. Kreditkarte, Ausweis, EC-Karte, alles da. Hatte Lehmann bezahlt? Oder hatte Maik seine Hertha-BSC -Kreditkarte gezückt, auf die er so stolz war? Er erinnerte sich nicht.
    Vielleicht sollte er einfach nach Hause fahren und behaupten, er sei überfallen und ausgeraubt worden. Dazu müsste er allerdings sein Portemonnaie wegwerfen. Um dann die ganzen Ausweise und Karten wieder zu besorgen.
    Maik schloss die Augen. Er hatte Angst vor Ulrike. Was sollten die Kinder sagen, wenn ihr Vater wie ein Heckenpenner zur Tür hineinstolperte und stank? Nur Mitleid konnte ihn retten.
    Maik rang nach Luft. Er mühte sich um logische Gedanken. Er würde jetzt erstens zur Tanke gehen und den Kassenmann um ein Telefonat bitten. Er würde zweitens Ulrike anrufen und ihr die Überfallgeschichte auftischen. Er würde drittens den Kassenmann fragen, ob er sein Portemonnaie im Tankstellenmüll finden könnte, gegen ein großzügiges Trinkgeld natürlich. Und er würde viertens einen Doppelzentner
Pfefferminz lutschen, um den obszönen Dunst zu überlagern, der ihn umgab.
    Was fehlte, war eine möglichst glaubhafte Schilderung des Überfalls. Ulrike würde nach Wunden fahnden. Er brauchte eine Beule, am besten mit Blut. Unsinn, die Diebe hatten ihn betäubt. Warum aber war er nicht zur Polizei gegangen? Klar, der Schock. Aber um eine Anzeige kam er trotzdem nicht herum. Wo war der Überfall überhaupt geschehen? In dem kleinen Park, als er gerade zum Auto gehen und nach Hause fahren wollte.
    War die Story glaubhaft? Wo waren die Schwächen? Lehmann war die Schwäche. Er hatte Maik in der Hand. Er konnte alles auffliegen lassen.
    Maik starrte durch die Frontscheibe. Es war alles zu viel. Und nur, weil dieser Idiot Lehmann ihn in den Betriebsrat quatschen wollte. »Maik, wir brauchen Männer wie dich«, hatte er gesagt. Quatsch. Niemand brauchte Männer wie Maik, schon gar nicht in diesem Zustand. Höchstens Ulrike, zum Rumkommandieren.
    Wie entwürdigend. Sie hatten die Vertretung von Arbeitnehmerrechten in einem Etablissement verhandelt, das Illegale ohne Arbeitsverträge beschäftigte. Ehrlicherweise musste man allerdings feststellen, dass sie in dem Thai-Laden schon lange nicht mehr über den Betriebsrat geredet hatten, sondern über Frauen, und zwar ziemlich eindimensional.
    Lehmann schien öfter in dieser Bar zu verkehren. Irgendwann war er jedenfalls verschwunden. Und Maik allein mit drei lächelnden Schönheiten, die immer neue Schirmchengetränke bestellten. Was wohl auf seiner Kreditkarte ausgewiesen sein würde? Mit der Diebstahlgeschichte könnte er womöglich auch eine verräterische Abrechnung erklären. Klar, der Dieb war einfach mit seiner Karte losgezogen.

    Maik atmete tief ein und aus, zwanzig Mal. Fast wäreer dabei wieder eingeschlafen. Er wagte es nicht, in den Spiegel zu schauen. Er würde jetzt aussteigen, den Mann an der Kasse ins Vertrauen ziehen, bei Ulrike anrufen und sich irgendwo ganz heftig den Kopf stoßen. Aber erst, wenn der Typ mit dem Kinderwagen verschwunden war. Maik hatte Angst.

6 UHR

    Kurz bevor der Geländewagen-Fahrer mit der Bierfahne in sein reihenzerhaustes Ghetto am Stadtrand verschwunden war, hatte er Jochen die entscheidende Nummer aufgeschrieben, unter der die große Show starten sollte. Jochen war aufgeregt. Er fühlte sich als Verschwörer in einem geheimen Jungs-gegen-die-Mädchen-Komplott. Erkonnte einen Bruder vor seinem grausamen Schicksal bewahren, wenn er jetzt keinen Fehler machte. Ehrensache.
    Die Lage war komplex. Der Typ war letzte Nacht in einem zwielichtigen Thai-Schuppen versackt und hatte das ganze Programm absolviert: einmal Pattaya mit alles. Jochen stand nicht unbedingt auf asiatische Frauen, die zur Hälfte ja ohnehin Transen waren. Aber einen Blick hätte er ja gern mal in diesen Laden geworfen, eher aus gesellschaftspolitischem Interesse natürlich.
    Wie ein Puffgänger hatte der Typ gar nicht

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