Der Vormacher
vorsichtig. Zufrieden lässt sie sich zurücksinken. Dann, etwas ernster, fragt sie:
»Sag mal – du hast mich nie betrogen, oder?«
Ich muss schlucken.
»Nein«, sage ich, »nie.« Und das ist tatsächlich die Wahrheit, wenn man mal davon absieht, dass Linda mir heute Mittag einen geblasen hat. Wirklich betrogen habe ich Jana nie, obwohl ich tausendmal davon geträumt habe.
»Du bist mir immer treu gewesen«, sagt Jana leise. »Das ist schön.«
In Wahrheit bin ich feige gewesen. Wenn ich gekonnt hätte, ich hätte sie alle gefickt – Theodora, Linda, die Mädchen vom Supermarkt, die Nachbarin, am liebsten alle gleichzeitig. Wie viel Sperma habe ich nicht heimlich vergeudet, als Jana mit ihren Freundinnen im Schwimmbad war oder bei ihrer Mutter. Sechs, sieben Mal pro Tag habe ich im Badezimmer gekniet, oder im Wohnzimmer, hinter zugezogenen Gardinen, mit einem Waschlappen, um keine Spuren zu hinterlassen.
Jana unterbricht meinen Gedankengang.
»Ich muss dir was gestehen«, sagt sie leise. »Weißt du noch, vor zwei Jahren, als wir uns gestritten haben?«
Ich nicke. Es ging um irgendeine Lappalie. Eigentlich war es nur einer von vielen Ausbruchsversuchen. Ich wollte weg von Jana, aber ich traute mich nicht, den Bruch zu machen, also brach ich einen Streit vom Zaun.
»Ich hatte schon zwei Wochen auf der Couch geschlafen«, erzählt Jana. »Dann war das Betriebsfest, wo wir zusammen hingegangen sind. Wir hatten zusammen zu Abend gegessen, es ging wieder besser, ich hatte gehofft, dass wir uns auf dem Fest wieder vertragen würden. Aber du warst so kalt mir gegenüber. Die ganze Zeit hast du mit deinen Kollegen gelacht und mich kaum beachtet. Und ich kannte da kaum jemanden.«
Ich seufze.
»Tut mir leid«, sage ich.
»Ist doch schon zwei Jahre her«, sagt sie. »Vielleicht habe ich es mir auch eingebildet, ich war halt sauer auf dich. Jedenfalls, als du dann Theodora nach Hause gefahren hast –«
Ich erinnere mich genau. Theodora hatte zu viel getrunken, ihr war übel. Irgendwie hoffte ich, sie würde sich übergeben, ich weiß nicht, warum, eine gewisse perverse Faszination ging von dem Gedanken aus, dass sie neben mir sitzen würde, den Kopf zwischen den Beinen, geschüttelt von Brechkrämpfen … aber wir schafften es zu ihr nach Hause, und sie hat mich nicht hereingebeten damals, oder besser gesagt: Ich hatte nicht darauf bestanden. Noch eine verpasste Gelegenheit.
»Du warst eine Stunde lang weg«, fahrt Jana fort. »Die Feier war beinah vorbei. Wenn wir nicht mit einem Auto gekommen wären, dann wäre ich längst nach Hause gefahren. So musste ich auf dich warten. Ich hatte zu viel getrunken. Und dann tauchte Emil auf.«
Mein Atem stockt. Ich ahne Schlimmes.
»Er war so lieb«, sagt sie. »So verständnisvoll. Außerdem war er mir schon früher am Abend aufgefallen, als er dieses lustige Lied gespielt hat, mit der Gitarre, über den Büroalltag und so. Er hat gesagt, dass du immer so viel um die Ohren hast, immer viel Stress, und dass du das bestimmt nicht so gemeint hast. Er hat dich verteidigt. Und dann hat er mir angeboten, mich nach Hause zu bringen.«
Das ist mir neu.
»Aber ich hab dich doch nach Hause gebracht«, protestiere ich. »Ich habe Theodora nur aus Kollegialität gefahren. Außerdem war sie völlig fertig. Und als ich zurückkam, warst du doch noch da.«
Ich hatte sie auf dem Boden hinter meinem Schreibtisch gefunden, wo sie eingeschlafen war.
»Du warst so betrunken, dass ich dich zum Auto tragen musste«, sage ich grob. »Und zu Hause hast du gekotzt.«
»Henri«, sagt Jana sanft. »Du hast damals nichts falsch gemacht, sondern ich. Und dafür will ich mich bei dir entschuldigen.«
»Wofür?«
»Na ja«, sagt sie. »Eigentlich ist ja gar nichts passiert. Fast gar nichts jedenfalls.«
»Was ist nicht passiert?«
»Nicht schreien, bitte«, sagt sie mit unveränderter Stimme. »Weißt du, ich war sauer auf dich.«
»Das hast du schon gesagt.«
»Wir hatten zwei Wochen lang nicht miteinander geschlafen. Und dann hast du dieses Mädchen nach Hause gefahren …«
»Weil sie nicht allein nach Hause konnte!«
Sie hebt abwehrend die Hände.
»Jetzt hör mir doch zu, Henri, bitte! Und reich mir deine Hand.«
Zögernd gebe ich ihr meine Hand. Ihre ist heiß und trocken.
»Ich habe Emil geküsst«, sagt sie.
»Auf den Mund?«, frage ich.
»Ja, richtig geküsst«, antwortet Jana. »Aber nur ein Mal. Und ich habe mich so geschämt am nächsten Tag! Ich war so betrunken!
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