Der Wachsblumenstrauß
unwahrscheinlich.«
»Wann hat sie die Leiche entdeckt?«
»Erst gegen fünf. Sie kam mit dem 4.50-Uhr-Bus aus Reading zurück. Sie ging zum Cottage, durch die Vordertür ins Haus und gleich in die Küche, um Teewasser aufzusetzen. Von Mrs Lansquenet hat sie nichts gehört, aber sie dachte, sie würde wohl noch schlafen. Dann erst hat sie das eingeschlagene Küchenfenster bemerkt, die Scherben lagen überall am Fußboden. Aber selbst da dachte sie noch, das wäre ein Junge mit einem Ball oder einem Katapult gewesen. Sie ging nach oben und schaute leise in Mrs Lansquenets Zimmer, ob sie noch schlief oder vielleicht eine Tasse Tee wollte. Dann hat sie natürlich einen Schock bekommen, hat geschrien und ist zum nächsten Nachbarn gelaufen. Ihre Geschichte klingt glaubwürdig, und in ihrem Zimmer und im Bad war keine Spur von Blut, auch nicht auf ihren Kleidern. Nein, ich glaube nicht, dass Miss Gilchrist etwas damit zu tun hat. Der Arzt ist um halb sechs gekommen. Er legte die Todeszeit auf spätestens vier Uhr dreißig fest, aber wahrscheinlich eher gegen zwei. Es sieht also aus, als hätte der Täter, wer immer es war, in der Nähe gewartet, bis Miss Gilchrist das Haus verließ.«
Im Gesicht des Notars zuckte ein Muskel.
»Ich nehme an, dass Sie zu Miss Gilchrist fahren werden?«, fuhr Inspector Morton fort.
»Das habe ich mir überlegt, ja.«
»Ich wäre sehr froh, wenn Sie das täten. Ich glaube, sie hat uns alles erzählt, was sie weiß, aber sicher kann man nie sein. Manchmal taucht im Gespräch der eine oder andere Hinweis auf. Sie ist ein bisschen altjüngferlich, aber eine sehr vernünftige, praktische Person – und sie ist wirklich überaus hilfsbereit gewesen.«
Nach einer Pause fügte er hinzu: »Die Leiche liegt in der Leichenhalle. Wenn Sie sie sehen möchten…«
Mr Entwhistle willigte ein, wenn auch mit einigem Unbehagen.
Einige Minuten später stand er vor den sterblichen Überresten von Cora Lansquenet. Sie war brutal überfallen worden, ihre mit Henna gefärbten Ponyfransen waren blutverklebt. Mr Entwhistle presste die Lippen zusammen und sah beiseite; ihm war flau im Magen.
Die arme kleine Cora. Wie eifrig sie zwei Tage zuvor gefragt hatte, ob ihr Bruder ihr etwas hinterlassen hätte. Die Träume, die sie sich für die Zukunft ausgemalt haben musste! Mit dem Geld hätte sie jede Menge Dummheiten anstellen – und genießen – können.
Die arme Cora… Wie kurz ihre Freude gewährt hatte.
Niemand hatte durch ihren Tod etwas gewonnen – nicht einmal der Mörder, der den erbeuteten Schmuck auf der Flucht weggeworfen hatte. Fünf Menschen bekamen ein paar tausend Pfund mehr – aber mit der Summe, die sie bereits geerbt hatten, besaßen sie vermutlich schon mehr als genug. Nein, da war kein Motiv zu finden.
Seltsam, dass Cora am Tag vor ihrer Ermordung der Gedanke an Mord durch den Kopf gegangen sein sollte.
»Aber er ist doch ermordet worden, oder nicht?«
Es war Unsinn, so etwas zu behaupten. Absoluter Unsinn! Viel zu unsinnig, um Inspector Morton davon zu erzählen.
Natürlich, wenn er erst einmal mit Miss Gilchrist gesprochen hatte…
Angenommen, Miss Gilchrist könnte etwas Licht darauf werfen, was Richard zu Cora gesagt hatte… aber das war unwahrscheinlich.
»Ich dachte, nach dem, was er mir sagte…« Was hatte Richard denn gesagt?
»Ich muss sofort zu Miss Gilchrist fahren«, beschloss Mr Entwhistle.
III
Miss Gilchrist war eine magere, verwelkte Frau mit kurzen, eisengrauen Haaren. Ihr Gesicht war von der unscheinbaren Art, wie man sie bei Frauen um die fünfzig oft sieht.
Sie begrüßte Mr Entwhistle aufs Herzlichste.
»Ich bin ja so froh, dass Sie gekommen sind, Mr Entwhistle. Ich weiß so wenig über Mrs Lansquenets Familie, und natürlich habe ich noch nie im Leben etwas mit einem Mord zu tun gehabt. Es ist einfach entsetzlich!«
Mr Entwhistle glaubte gern, dass Miss Gilchrist noch nie im Leben etwas mit einem Mord zu tun gehabt hatte. Ihre Reaktion war der seines Partners ganz ähnlich.
»Natürlich liest man über solche Sachen«, fuhr Miss Gilchrist fort und verwies Verbrechen damit in die Welt, in die sie gehörten. »Aber selbst das tue ich nicht gerne. Die meisten sind doch so abscheulich.«
Während Mr Entwhistle ihr ins Wohnzimmer folgte, sah er sich um. Im Haus hing unverkennbar der Geruch von Ölfarbe. Das Cottage war überladen, weniger mit Möbeln – die ziemlich genau der Beschreibung Inspector Mortons entsprachen – als vielmehr mit
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