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Der Wachsblumenstrauß

Der Wachsblumenstrauß

Titel: Der Wachsblumenstrauß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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war eine attraktive Frau. Aber die beiden waren einander sehr zugetan gewesen.
    Sein Blick wanderte weiter zu Mrs Timothy. Sie kannte er kaum. Schwarz war nicht ihre Farbe – sie war eine Frau für Tweed. Eine kräftige, vernünftige, lebenstüchtige Person, die Timothy immer eine aufopferungsvolle Ehefrau gewesen war. Hatte sich um seine Gesundheit gekümmert, hatte ihn umsorgt – wahrscheinlich etwas zu sehr. Ob Timothy wirklich etwas fehlte? In Mr Entwhistles Augen war er ein Hypochonder. Der Meinung war Richard Abernethie auch gewesen. »Als Junge ein bisschen schwach auf der Brust, natürlich«, hatte er immer gesagt. »Aber dass ihm jetzt noch was fehlt, das glaube ich wirklich nicht.« Nun ja, jeder brauchte ein Steckenpferd, und Timothys Steckenpferd war nun einmal die alles bewegende Frage seiner Gesundheit. Ob Mrs Tim ihm das wirklich abnahm? Wahrscheinlich nicht – aber solche Sachen gaben Frauen ja nie zu. Timothy musste sein gutes Auskommen haben, er hatte das Geld nie zum Fenster hinausgeworfen. Aber der warme Segen würde ihm durchaus gelegen kommen – vor allem heutzutage mit den hohen Steuern. Seit dem Krieg hatte er seinen Lebensstandard sicher drastisch senken müssen.
    Jetzt wandte Mr Entwhistle seine Aufmerksamkeit George Crossfield zu, dem Sohn Lauras. Laura hatte ja einen sehr dubiosen Kerl geheiratet, über den man nie viel erfahren hatte. Angeblich Börsenmakler. Der junge George war in einer Anwaltskanzlei – keine sehr angesehene Firma. Gut aussehend, aber irgendwie verschlagen. Allzu viel zum Leben hatte der bestimmt nicht. Laura hatte mit ihren Geldanlagen kein gutes Händchen bewiesen. Bei ihrem Tod vor fünf Jahren hatte sie so gut wie nichts hinterlassen. Sie war ein hübsches, verträumtes Mädchen gewesen, aber ohne den geringsten Sinn fürs Finanzielle.
    Mr Entwhistles Blick wanderte von George Crossfield weiter zu den beiden jungen Frauen. Welche war welche? Ach ja, das war Geraldines Tochter Rosamund, die sich gerade die Wachsblumen auf dem Malachittisch ansah. Ein hübsches Ding, bildhübsch sogar – etwas dümmliches Gesicht. Schauspielerin. Bei einer Boulevardtruppe oder so was Ähnliches. Zu allem Überfluss hatte sie auch noch einen Schauspieler geheiratet. Gut aussehender Kerl. »Und das weiß er«, dachte Mr Entwhistle, der große Vorbehalte gegen das Theatervolk hegte. »Ich würde ja gerne wissen, aus was für einer Familie der kommt.«
    Missbilligend betrachtete er Michael Shane mit seinen blonden Haaren und dem Charme, der hageren Männern eigen ist.
    Susan, Gordons Tochter, würde sich auf der Bühne viel besser machen als Rosamund. Mehr Persönlichkeit. Vielleicht mehr, als im Alltag gut ist. Sie stand ganz in seiner Nähe, darum beobachtete Mr Entwhistle sie nur verstohlen. Dunkle Haare, haselnussfarbene – fast goldene – Augen, ein attraktiver, etwas trotziger Mund. Neben ihr stand ihr Ehemann, den sie erst vor kurzem geheiratet hatte – ein Apothekengehilfe, soweit er wusste. Ein Apothekengehilfe, man stelle sich nur vor! Mr Entwhistles Ansicht nach heirateten junge Frauen keine Männer, die hinter einer Ladentheke arbeiteten. Aber heutzutage heirateten sie ja jeden Dahergelaufenen. Der junge Mann mit dem blassen, nichtssagenden Gesicht und den dunkelblonden Haaren machte den Eindruck, als sei ihm unbehaglich zumute. Mr Entwhistle fragte sich nach dem Grund, kam dann aber zu dem wohlwollenden Schluss, das käme von der Anstrengung, die große Verwandtschaft seiner Frau kennenzulernen.
    Als Letztes nahm Mr Entwhistle schließlich Cora Lansquenet in Augenschein. Das entbehrte nicht einer gewissen Logik, denn Cora war in der Familie immer der Nachzügler gewesen, Richards jüngste Schwester. Ihre Mutter, bei der Geburt fast fünfzig, hatte die zehnte Niederkunft (drei Kinder waren noch im Säuglingsalter gestorben] nicht überlebt. Die arme kleine Cora! Ihr ganzes Leben war sie eine blamable Gestalt gewesen und immer mit Bemerkungen herausgeplatzt, die besser ungesagt geblieben wären. Ihre Geschwister waren immer sehr nett zu ihr gewesen, hatten ihre Unzulänglichkeiten wettgemacht und ihre gesellschaftlichen Fauxpas überspielt. Niemand hatte sich träumen lassen, dass Cora je heiraten würde. Sie war zu groß geraten, etwas einfältig und nicht besonders hübsch gewesen, und ihre allzu auffälligen Annäherungsversuche an die jungen Männer, die nach Enderby zu Besuch kamen, hatten diese meist zu verschreckten Rückzugsmanövern veranlasst. Und dann,

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