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Der Wächter des Herzens

Der Wächter des Herzens

Titel: Der Wächter des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Françoise Sagan
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einem
streitlustigen Blick, der diesen allerdings kalt ließ. Er nahm meinen Arm und
führte mich ein wenig beiseite.
    »Unterhältst du dich gut?«
    »Phantastisch. Und du?«
    »Wenn ich dich lachen sehe, ja; sogar
von weitem.«
    Dieser Mann war reizend. Ich beschloß,
ihn gleich am nächsten Tag zu heiraten, wenn ihm so viel daran lag, und ich
sagte es ihm nur nicht, weil ich es mir zur unumstößlichen Regel gemacht hatte,
an solchen Abenden niemals meine Beschlüsse laut zu verkünden. Ich begnügte
mich damit, ihn im Schatten einer Magnolie zärtlich auf die Wange zu küssen.
    »Was macht unser Kleiner?«
    Paul lachte.
    »Gloria sieht ihn an wie ein
Cockerspaniel einen Knochen. Sie rückt keinen Zentimeter von ihm ab. Seine
Karriere scheint endgültig gesichert zu sein.«
    Wenn er nicht gerade den Oberkellner
umbringt, dachte ich rasch. Ich beschloß, nach dem rechten zu sehen, hatte aber
keine Zeit mehr dazu. In der Nähe des Swimmingpools erhob sich ein lautes
Geschrei, und ich fühlte, wie mir trotz des Lacks, der sie niederhielt, die
Haare zu Berge standen. Ganz wie in Romanen.
    »Was ist das?« fragte ich mit schwacher
Stimme, aber Paul war schon auf den Kreis zugelaufen, der sich drüben bildete.
Ich schloß die Augen. Als ich sie wieder öffnete, stand Lewis neben mir, ruhig
und unbeteiligt.
    »Die arme Rena Cooper ist tot«, sagte
er gleichgültig.
    Rena Cooper war die Klatschbase, mit
der er vor einer Stunde noch gesprochen hatte. Ich sah ihn entsetzt an.
Zugegeben, Rena war nicht die Güte selbst, aber von ihrer abscheulichen Zunft
immer noch eine der besten.
    »Sie haben mir geschworen«, sagte ich.
»Geschworen!«
    »Was geschworen?«
    Er sah mich völlig verständnislos an.
    »Geschworen, daß Sie ohne meine
vorherige Erlaubnis niemanden mehr töten werden. Sie sind feige und
wortbrüchig. Sie sind ein patentierter Mörder, ein unverantwortliches Subjekt.
Sie machen mir Schande, Lewis, und ich finde Sie abscheulich.«
    »Aber«, sagte er, »das war doch nicht
ich!«
    »Das können Sie anderen erzählen«,
sagte ich bitter und winkte ab. »Wer soll es denn sonst gewesen sein?«
    Paul kam zurück, leicht angewidert. Er
nahm meinen Arm und fragte mich, warum ich so blaß sei. Lewis rührte sich
nicht. Er sah uns an, lächelte beinahe. Ich hätte ihn ohrfeigen können.
    »Die arme Rena hat einen Herzanfall
zuviel erlitten. Es war der zehnte in diesem Jahr. Der Arzt konnte nichts mehr
für sie tun. Sie trank zuviel, und er hatte sie davor gewarnt.«
    Lewis breitete die Hände aus und
lächelte mich mit der Genugtuung des zu Unrecht verdächtigten Unschuldigen
spöttisch an. Ich atmete ein wenig auf. Zugleich sagte ich mir, daß ich in
meinem ganzen Leben nie wieder imstande sein würde, eine Todesanzeige in einer
Zeitung zu lesen oder vom Tode eines Menschen sprechen zu hören, ohne ihn zu
verdächtigen.
    Der Rest des Abends war ein Fiasko. Die
arme Rena wurde mit der Ambulanz weggebracht, und die Gäste gingen rasch
auseinander. Ich war, ziemlich deprimiert, mit Lewis allein in meinem Haus. Er
gab mir mit Beschützermiene ein Alka-Seltzer und riet mir, schlafen zu gehen.
Ich gehorchte kleinlaut. So unglaublich es klingt: Ich schämte mich. Die Moral
ist eine merkwürdige Sache. Sie unterliegt zu vielen Schwankungen. Ich werde
nicht die Zeit haben, mir eine solide zu fabrizieren, ehe ich sterbe; zweifellos
auch an einem Herzschlag.
     
     
     

DREIZEHNTES KAPITEL
     
    Es folgte eine köstliche Zeit der Ruhe.
Ganze drei Wochen vergingen ohne den geringsten unangenehmen Zwischenfall.
Lewis arbeitete, Paul auch, ich auch, und abends saßen wir oft zusammen bei mir
zu Hause. An einem schönen Wochenende fuhren wir sogar an die Küste, an eine
fünfzig Kilometer von der Stadt entfernte Stelle, wo es einen verlassenen
Bungalow gab, den irgend jemand Paul zur Verfügung gestellt hatte. Er stand in
den steilen Felsen über dem Meer, und man mußte einen schmalen Pfad
hinuntergehen, wenn man baden wollte. Die See ging an diesem Tag hoch, und
Lewis und ich sahen Paul beim Baden zu. Er spielte den Sportler wie alle Männer
seines Alters, die sich gut gehalten haben, und das wäre ihm beinahe zum
Verhängnis geworden.
    Er schwamm ungefähr dreißig Meter vom
Ufer entfernt eine kleine Strecke in sehr elegantem Kraulstil, als ihm
plötzlich übel wurde. Lewis und ich saßen im Bademantel auf der Terrasse, die
in einer Höhe von acht Metern über das Wasser hinausragte, und knabberten
Toast. Ich hörte Paul schwach um

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