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Der Wächter des Herzens

Der Wächter des Herzens

Titel: Der Wächter des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Françoise Sagan
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schon war.
    Gloria Nash erwartete uns an der Tür
ihres kleinen Hauses mit zweiunddreißig Zimmern. Alles war in schönster
Ordnung: die Scheinwerfer im Garten, der erleuchtete Swimmingpool, die riesigen
Bratspieße und die Abendkleider. Gloria Nash ist blond, schön, kultiviert.
Leider ist sie auch (mindestens) zehn Jahre nach mir zur Welt gekommen, und sie
verabsäumt es nie, mich auf die liebenswürdigste Weise daran zu erinnern. Bald
ruft sie: »Wie bringen Sie es nur fertig, Dorothy, so einen Teint zu haben? Sie
müssen mir nachher Ihr Geheimnis verraten«, bald betrachtet sie mich mit
stummer Verblüffung, so als wäre es ein Wunder, sich mit fünfundvierzig Jahren
noch auf den Beinen zu halten. Letztere Taktik wandte sie an diesem Abend an, und
eine Weile kam ich mir unter ihren erstaunten Blicken tatsächlich wie
Tut-ench-Amon vor, der sich auf eine Party verirrt hat. Sie nahm mich sofort
mit hinein, damit ich mir die Frisur richten konnte, obwohl ich es gar nicht
nötig hatte, aber diese Manie der Frauen, alle zehn Minuten in ganzen Trupps zu
verschwinden, um sich zu frisieren und zu pudern, ist hier einer der
unabänderlichsten und unerträglichsten Riten. Sie platzte vor Neugier und
stellte mir tausend Fragen über Lewis, denen ich mechanisch auswich. Zuletzt
ärgerte sie sich und machte einige Anspielungen, die ich nicht begriff, und als
wir ihr entzückendes mit Jouy-Leinen ausgekleidetes Boudoir verließen, ging sie
verzweifelt zum Angriff über.
    »Wissen Sie, Dorothy, ich habe Sie sehr
gern. Doch, doch... Schon als ganz kleines Mädchen, als ich Sie in diesem Film
sah, äh... Schließlich muß Sie ja irgend jemand warnen. Man erzählt sich
merkwürdige Dinge über Lewis.«
    »Was?«
    Das Blut stockte mir in den Adern. Ich
hatte als Frage anscheinend einen kleinen Schrei ausgestoßen, denn sie sagte
lächelnd:
    »Wie Sie sich das gleich zu Herzen
nehmen! ... Ich muß allerdings zugeben, daß er wahnsinnig verführerisch ist.«
    »Zwischen ihm und mir gibt es keine
sentimentalen Beziehungen«, sagte ich. »Was sind das für Gerüchte?«
    »Nun ja, die Leute sagen... Sie wissen,
wie die Leute hier sind... Sie sagen, daß Sie und Paul und er...«
    »Was? Paul und er und ich?«
    »Sie sind immer mit den beiden
zusammen. Daher muß man wohl annehmen...«
    Ich begriff plötzlich und atmete auf.
    »Ach, wenn es weiter nichts ist«, sagte
ich unbeschwert, so als handele es sich um eine Kinderei (und als solche
erschien mir dieser Gedanke an eine Orgie zu dritt auch, wenn ich an die
unheimliche Wahrheit dachte). »Ach, wenn es weiter nichts ist. Das ist nicht so
schlimm.«
    Ich ließ Gloria verdutzt stehen und
ging in den Garten, um mich zu vergewissern, daß Lewis nicht zwischen zwei
Törtchen die Zeit gefunden hatte, jemanden zu erdolchen, dem mein
Paillettenkleid nicht gefiel. Nein. Er unterhielt sich artig mit einer der
Klatschbasen Hollywoods. Erleichtert stürzte ich mich mit vollen Segeln in das
Fest, das übrigens ein großer Erfolg war. Ich fand eine gewisse Anzahl
ehemaliger Verehrer, die mir, jeder auf seine Weise, den Hof machten und mein
Kleid und meinen Teint lobten, und ich begann zu glauben, daß eine schwere
Gallenkolik das ideale Verjüngungsmittel sei. Ich muß hinzufügen, daß ich stets
gute Beziehungen zu meinem, früheren Liebhabern unterhalte. Wenn ich mit ihnen
zusammentreffe, setzen sie alle eine bedauernde Miene auf, murmeln »Ach,
Dorothy, wenn du gewollt hättest«, oder etwas dergleichen und machen diskrete
Anspielungen auf Erinnerungen, «die ich nicht immer mit ihnen teile, denn
leider wird mein Gedächtnis mit den Jahren immer schwächer. Paul sah mir von
weitem zu und lächelte über meine Kapriolen. Ein- oder zweimal fing ich einen
Blick von Lewis auf, den Gloria ernsthaft zu attackieren schien. Ich kümmerte mich
jedoch nicht um ihn. Ich wollte mich amüsieren, ich hatte während der letzten
Tage genug Emotionen erlebt. Champagner, die Düfte der kalifornischen Nacht und
das beruhigende Lachen dieser guten, wackeren, schönen Männer Hollywoods, die,
soviel ich wußte, außer auf der Leinwand nie jemanden umgebracht hatten!
    Ich war quietschvergnügt und leicht
beschwipst, als Paul eine Stunde später zu mir kam. Roy Dardrige, der König der
Western, erklärte mir gerade mit weinerlicher Stimme, ich hätte vor vier oder
fünf Jahren sein Leben ruiniert, und von seinen Gefühlen und den zahllosen
Martinis, die er getrunken hatte, hingerissen, musterte er Paul mit

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