Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wächter des Herzens

Der Wächter des Herzens

Titel: Der Wächter des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Françoise Sagan
Vom Netzwerk:
Lachen. Meine Nerven schienen diesmal doch ein wenig gelitten
zu haben. Paul setzte seine nachsichtige, geduldige, väterliche, amerikanische,
männliche Miene auf und reichte mir sogar sein Taschentuch, damit ich mir die
Nase putzen konnte. Endlich beruhigte ich mich wieder, murmelte irgend etwas
Albernes und küßte ihn, um ihn zum Schweigen zu bringen. Wir waren in meinem
Büro. Candy war hinausgegangen, und er wurde sehr zärtlich. Wir machten aus,
daß wir am Abend zu ihm gehen wollten, und ich rief Lewis an, um ihm zu sagen,
er solle ohne mich essen. (Er hatte eine Woche drehfrei.)
    Er war zu Hause, sehr aufgeräumt, und
amüsierte sich mit dem Rolls. Ich trug ihm auf, recht brav zu sein, und hätte
beinahe wieder einen Lachkrampf bekommen. Er schwor mir, er werde sich bis zum
nächsten Morgen nicht aus dem Hause rühren. Mit dem Gefühl, etwas völlig
Unwirkliches zu erleben, aß ich mit Paul bei Romanoff zu Abend und traf
fünfhundert Leute, »fünfhundert Leute, die es nicht wußten«. Ich war wie
betäubt. Später erst, in der Nacht, als ich neben Paul lag, der schlief und wie
üblich den Kopf an meine Schulter und den rechten Arm über meine Brust gelegt
hatte, fühlte ich mich plötzlich schrecklich allein und verängstigt. Ich hatte
ein Geheimnis, ein tödliches Geheimnis, und ich bin nie ein Mensch gewesen, der
Geheimnisse hat. Ich lag bis zum Morgengrauen wach, während fünf Kilometer
weiter mein sentimentaler Mörder in seinem Bettchen lag, friedlich schlummerte
und von Blumen und Vögeln träumte.
     
     
     

ZWÖLFTES KAPITEL
     
    An dem Abend, an dem Gloria Nashs
berühmte Party stattfand, machten wir uns besonders elegant. Ich zog ein Kleid
mit schwarzen Pailletten an, das ich für ein Heidengeld in Paris gekauft hatte,
und das auf sehr vorteilhafte Weise meinen Rücken enthüllte — der immer noch
einer meiner Trümpfe ist. Lewis, im Smoking, das schwarze Haar glatt gebürstet,
war großartig: Er sah aus wie ein junger Prinz mit einem Stich ins Faunische.
Paul schließlich stellte mit seiner an den Schläfen leicht angegrauten
Blondheit und seinem ironischen Blick den gelassenen, soignierten Vierziger da.
Ich wollte schon resigniert in den Jaguar steigen, um mir meine Pailletten
zwischen den beiden Smokings zerquetschen zu lassen, als Lewis feierlich die
Hand hob:
    »Ich habe eine Überraschung für Sie,
Dorothy.«
    Ich zitterte innerlich, aber Paul
begann mit der Miene des Eingeweihten zu lachen.
    »Es ist wirklich eine Überraschung,
Dorothy. Folgen wir ihm.«
    Lewis ging in den Garten, setzte sich
in den Rolls und betätigte irgendeine Schaltung. Der Wagen machte ein leises,
regelmäßiges Geräusch, rollte zurück und blieb vor mir stehen. Lewis sprang
heraus, lief um ihn herum und öffnete mir mit einer tiefen Verbeugung die Tür.
Ich war sprachlos.
    »Er ist schließlich gut bis hierher
gekommen«, sagte Paul lachend. »Schau nicht so verblüfft drein. Steig ein.
Chauffeur, wir fahren zu Miss Gloria Nash, dem Star, Sunset Boulevard.«
    Lewis fuhr los. Durch die gläserne
Trennwand sah ich im Rückspiegel einen entzückten, begeisterten, kindlichen
Blick, der auf mir ruhte und mich zu fragen schien, ob es mir Spaß mache. Es
gibt offenbar Augenblicke, in denen mir das Leben entgleitet. Ich fand in
diesem riesigen Käfig ein altes Telefon und hielt die Muschel an den Mund.
    »Wie läuft der Rolls, Chauffeur?«
    »Ich habe meine ganze freie Woche dazu
verwendet, — ihn endgültig in Schuß zu bringen.«
    Ich sah Paul an. Er lächelte.
    »Seit drei Tagen redet er von nichts
anderem. Man möchte meinen, er sei zwölf Jahre alt.«
    Er nahm den Hörer.
    »Chauffeur, ich empfehle Ihnen, unserer
Gastgeberin heute abend den Hof zu machen. Ihre Gleichgültigkeit könnte übel
aufgenommen werden.«
    Lewis zuckte die Schultern, ohne zu
antworten. Ich hoffte verzweifelt, daß an diesem Abend alle Leute ganz
bezaubernd zu mir sein würden und daß mein Krimineller auf keine dummen
Gedanken kam. Es war nervenzermürbend. Seit zehn Tagen gab ich ihm von allen
Leuten die idyllischsten Beschreibungen. Ich goß Ströme von Honig auf alle
meine Mitarbeiter, alle meine Freunde, stellte ihm Hollywood, diesen Dschungel
der Niedertracht, als ein Paradies kindlicher Liebe dar. Wenn mir über jemanden
eine bissige Bemerkung entschlüpfte, erfand ich sogleich irgendeinen Dienst,
den er mir vor drei Jahren erwiesen hatte, kurz: ich mußte demnächst völlig
verblöden oder wahnsinnig werden, sofern ich es nicht

Weitere Kostenlose Bücher