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Der Wächter des Herzens

Der Wächter des Herzens

Titel: Der Wächter des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Françoise Sagan
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sagte ich.
    »Und er wohnt hier seit drei Monaten?«
    »Ja.«
    Ich deutete eine entschuldigende Geste
an.
    »Sie werden denken, ich sei nicht sehr
neugierig.«
    Er hob seine schwarzen Brauen, und sein
Gesicht nahm den gleichen Ausdruck an, den ich so oft an Paul beobachtet hatte.
    »So könnte man es auch nennen.«
    »Sehen Sie, ich finde, man weiß immer
viel zuviel über die Leute, mit denen man verkehrt, und das ist lästig. Man
weiß, mit wem und wovon sie leben, mit wem sie schlafen, was sie gern von sich
selbst denken und... eben zuviel. Ein kleines Geheimnis ist so wohltuend. Nein?
Finden Sie nicht?«
    Er fand es offensichtlich nicht
wohltuend.
    »Das ist ein Standpunkt«, sagte er
kühl. »Ein Standpunkt, der mir meine Nachforschungen nicht erleichtert. Ich
denke natürlich nicht, daß er Macley vorsätzlich ermordet hat. Er scheint sogar
der einzige gewesen zu sein, den Macley rücksichtsvoll behandelte. Aber er hat
immerhin den Schuß abgefeuert. Es wäre auch für seine Karriere vorteilhaft,
wenn man ihn vor Gericht als den reinsten Engel hinstellen könnte.«
    »Sie müßten ihn selbst fragen«, sagte
ich. »Ich weiß, daß er aus Vermont stammt, und das ist so ziemlich alles. Soll
ich ihn wecken, oder möchten Sie noch eine Tasse Kaffee?«
    Das war am Tage nach dem Mord. Leutnant
Pearson hatte mich um acht aus den Federn geholt. Lewis schlief noch.
    »Ich nehme gern noch eine Tasse«, sagte
er. »Miss Seymour, ich bitte um Vergebung, wenn ich Ihnen die Frage mit so
brutaler Offenheit stelle: Was ist zwischen Ihnen und Lewis Miles?«
    »Nichts«, sagte ich. »Nicht das, was
Sie meinen. In meinen Augen ist er ein Kind.«
    Er blickte mit einem Ruck auf und
lächelte.
    »Es ist schon eine Weile her, seit ich
das letztemal Lust hatte, einer Frau zu glauben.«
    Ich lachte geschmeichelt. In
Wirklichkeit war ich entsetzt darüber, daß ich den armen Kerl, einen Vertreter
der Gesetze meines Landes, so blind in dieser scheußlichen Geschichte
herumtappen ließ. Gleichzeitig sagte ich mir, daß mein Bürgersinn sich weniger
heftig rühren würde, wenn er dickbäuchig, gemein und brutal wäre. Außerdem
hatte ich meine Schlaftabletten noch nicht ganz verarbeitet und schlief im
Stehen.
    »Der junge Mann hat eine schöne
Karriere vor sich. Er ist ein bemerkenswert guter Schauspieler.«
    Ich erstarrte hinter meiner
Kaffeekanne.
    »Woher wissen Sie das?«
    »Wir haben uns gestern abend den
Streifen vorführen lassen. Sie müssen zugeben, daß es die Polizei nicht
bequemer haben könnte. Ein gefilmter Mord. Das erspart uns die Rekonstruktion
am Tatort.«
    Er sprach durch die offene Küchentür.
Ich lachte albern und goß mir siedendes Wasser über die Finger. Er fuhr fort:
    »Man sieht das Gesicht von Lewis in
Großaufnahme. Ich gestehe, daß einem angst und bange werden kann.«
    »Ich glaube, aus ihm wird noch ein ganz
großer Schauspieler«, bemerkte ich. »Alle sagen es.«
    Daraufhin griff ich nach dem Scotch auf
dem Kühlschrank und nahm einen großen Schluck aus der Flasche. Die Tränen
traten mir in die Augen, aber meine Hände hörten auf zu zittern wie zwei arme
Blätter. Ich ging in den Livingroom zurück und servierte den Kaffee, wie sich’s
gehört.
    »Und hatte Ihrer Ansicht nach der junge
Miles kein Motiv, um Macley zu töten?«
    »Nicht das geringste«, sagte ich fest.
    Es war geschehen. Ich war seine
Komplicin geworden. Nicht nur in meinen Augen, sondern auch in den Augen des
Gesetzes. Die staatlichen Gefängnisse warteten auf mich. Schön, dann würde ich
eben ins Gefängnis gehen und meine Ruhe haben. Plötzlich wurde mir bewußt, daß
ich, wenn Lewis ein Geständnis ablegte, nicht nur seine Komplicin wäre, sondern
in den Augen der Leute auch die Anstifterin aller seiner Verbrechen, und daß
mich der elektrische Stuhl erwartete. Ich schloß die Augen. Das Schicksal war
ganz entschieden gegen mich.
    »Leider sehen auch wir kein Motiv«,
sagte Pearsons Stimme. »Verzeihen Sie, ich meine ›leider‹ von unserem
Standpunkt aus betrachtet. Dieser Macley war, wie es scheint, ein Ekel. Jeder
konnte ins Requisitenmagazin gehen und die Patronen auswechseln. Es gibt dort
nicht einmal einen Wächter. Das wird eine endlose Geschichte, und ich sitze
diesmal in der Klemme.«
    Er begann sich zu beklagen, aber das
wunderte mich nicht. Alle Männer, denen ich begegne, ob Polizisten oder
Schriftsteller, erzählen mir früher oder später ihre Sorgen. Ich besitze da
offenbar eine besondere Gabe. Sogar mein Steuerbeamter

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