Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
alles, oder?«
    Fric hielt sich die Uhr ans Ohr, als wollte er überprüfen, ob sie tickte. »Doch, klar. Er hat bloß geschnauft.«
    Offenbar verschwieg der Junge etwas, aber wenn man jetzt Druck auf ihn ausübte, dann würde er sein Geheimnis nur noch grimmiger bewahren. Ethan musste daran denken, wie er selbst auf Hazards Kreuzverhör in der Kirche reagiert hatte. »Ich mache dir einen Vorschlag«, sagte er. »Wenn sich jemand heute Abend oder morgen, während ich hier bin, auf deiner Leitung meldet, dann würde ich gern selbst abnehmen.«
    »Okay.«
    »In meiner Wohnung läutet es normalerweise nicht, wenn jemand deine Privatnummer gewählt hat, aber ich setze mich an den Computer und ändere das.«
    »Wann?«
    »Gleich jetzt. Ich nehme dann nach dem ersten oder zweiten Klingeln ab. Und wenn morgen jemand anruft, während ich nicht da bin, tust du einfach gar nichts und wartest, bis sich der Anrufbeantworter anschaltet.«
    Nun hob der Junge endlich den Blick. »Okay. Wissen Sie, wie mein Klingeln sich anhört?«
    »Ich werde es erkennen«, sagte Ethan schmunzelnd.
    »Klar, es ist einfach bescheuert«, sagte Fric und sah betreten vor sich hin.
    »Meinst du etwa, die Titelmelodie irgendeiner alten Kriminalserie bei mir hört sich an, als würde ich einen wichtigen Anruf bekommen?«
    Fric grinste.
    »Du kannst mich jederzeit anrufen, egal, ob am Tag oder mitten in der Nacht, auf einer meiner Hausleitungen oder auf dem Handy«, sagte Ethan. »Nur zu, Fric! Ich
    schlafe sowieso nicht so besonders viel. Alles klar?«
    Der Junge nickte. »Danke, Mr. Truman.«
    Ethan trat wieder in den Flur zurück.
    Befangen kaute Fric an seiner Unterlippe, während er eine Taste drückte, wahrscheinlich die für die zweite Etage, dem Stockwerk, wo sich seine Zimmer befanden.
    Mit der schmächtigen Gestalt des Jungen sah der Aufzug, der für das Verkehrsaufkommen eines Hochhauses ausgereicht hätte, noch größer aus als sonst.
    Obwohl Fric für sein Alter klein und schmal war, besaß er eine ruhige Entschlossenheit und auch eine gehörige Portion Mut. Beides sah man an seiner Körperhaltung und daran, wie er den Alltag meisterte; das tat er nämlich auf eine Art und Weise, die für sein Alter und seine Statur einfach erstaunlich war. Durch seine merkwürdige, einsame Kindheit war der Junge bereits gegen die Widrigkeiten des Lebens gestählt.
    So wohlhabend, witzig und intelligent Fric jedoch auch sein mochte, früher oder später würden ihn diese Widrigkeiten einholen. Schließlich war er ein Mensch und musste seinen Anteil an Elend und Unglück tragen.
    Die Aufzugtür schloss sich.
    Als Fric, begleitet vom Summen des Triebwerks, verschwunden war, beobachtete Ethan die Anzeige über der Tür. Er sah, wie das Lämpchen vom Erdgeschoss zum ersten Stock umsprang, und lauschte dem Geräusch von Kabeln und Antriebsmotor.
    Im Geiste sah Ethan, wie sich die Tür im zweiten Stock öffnete, aber nur den Blick auf eine leere Kabine freigab, weil Fric zwischen zwei Etagen verschwunden war.
    Solche merkwürdigen, düsteren Phantasien waren normalerweise untypisch für ihn. An jedem anderen Tag hätte er sich gefragt, wie eine derart verstörende Vorstellung wohl entstanden war, und dann hätte er sie sofort aus seinem Bewusstsein gestrichen, nicht anders als eine Falte aus der Hose.
    Da dieser Tag jedoch so völlig anders war als alle Tage davor, fühlte Ethan sich gezwungen, selbst die unwahrscheinlichsten Vorahnungen und Möglichkeiten ernst zu nehmen.
    Um den Aufzugschacht wand sich die Hintertreppe. Ethan war in Versuchung, sie unverzüglich hinaufzuhetzen. Der Aufzug fuhr so langsam hoch, dass er vielleicht sogar vor diesem den zweiten Stock erreichte.
    Wenn sich dann die Tür öffnete und Fric unversehrt in der Kabine stand, dürfte der Junge allerdings ziemlich erschrecken, derart panisch empfangen zu werden. Ethan wiederum würde nach seinem hektischen Sprint derart außer Puste sein, dass er die Ängste, die ihn plagten, nicht würde verbergen können. Erklären konnte er sie dann natürlich auch nicht.
    Die Gelegenheit verstrich.
    Ethan spürte, wie sich der Kloß im Hals auflöste. Er schluckte und holte tief Luft.
    Die Anzeige sprang vom ersten auf den zweiten Stock, dann verstummte der Antrieb des Lifts.
    Bestimmt war Fric unversehrt in der obersten Etage angekommen. Es gab keine von dämonischen Kräften besessene Maschinerie, die ihn verschlungen und verdaut hatte.
    Ethan ging zu seiner Wohnung im Westflügel und verscheuchte diese

Weitere Kostenlose Bücher