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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Augenblick, in dem er allein in einer stillen Kirche saß. Er hörte das leise Trommeln des Regens auf dem Dach, roch den in der Luft schwebenden Duft von Weihrauch, sah das rubinrote Licht der Votivkerzen, aber es gelang ihm nicht, irgendein Flüstern, einen Hauch, ein Schimmern von dem wahrzunehmen, was man Gott nannte. Ethan sehnte sich nicht nach einem Zeichen seines Schöpfers, sondern nach Hannah, nach der Musik ihrer Stimme und der wunderschönen Geometrie ihres Lächelns.
    Er fühlte sich heimatlos, ohne Behausung und Anker. Seine Suite in der Villa Manheims wartete auf seine Rückkehr, aber trotz aller Annehmlichkeiten war sie nur ein Wohnsitz, kein Ort, der ihm lieb und teuer war. An diesem langen, seltsamen Tag hatte er sich nur ein einziges Mal daheim gefühlt – auf dem Friedhof, wo Hannah neben einem leeren Grabplatz ruhte, den er bereits für sich erworben hatte.

37
    Von Bronzekugeln und flammenden Bronzeornamenten, von Reliefs mit Arabesken, von Pfeilen, Schnörkeln, Gittern, Bogen und Blättern, von den Greifen und Wappenschilden am Tor des Palazzo Rospo tropfte schwarz und silbern der Regen.
    Ethan bremste neben der Überwachungsstation, einem eineinhalb Meter hohen, mit Kalkstein verkleideten Pfeiler, in dem eine Videokamera, eine Verbindung zur Gegensprechanlage und eine Tastatur integriert waren. Er öffnete sein Fenster und tippte seinen sechsstelligen Kode ein.
    Langsam rollte das massive Tor zur Seite. Das Scheinwerferlicht strich über die üppigen Ornamente.
    Jeder Angestellte des Anwesens hatte einen anderen Kode. Dadurch verfügte das Sicherheitspersonal über elektronisch gespeicherte Daten sämtlicher Bewegungen.
    Ferngesteuerte Vorrichtungen wie ein handelsüblicher Garagentoröffner oder kodierte, in jedes Fahrzeug eingebaute Sender wären praktischer gewesen als ein Kode zum Eintippen, besonders bei schlechtem Wetter. Allerdings hätten jeder Automechaniker, jeder Parkplatzwächter und jeder andere, dem man ein Fahrzeug vorübergehend übergab, sich solche Geräte unter den Nagel reißen können, und es hätte nur einer einzigen unehrlichen Person bedurft, um die Sicherheit des Anwesens zu gefährden.
    Wäre Ethan ein Besucher ohne persönlichen Zugangskode gewesen, dann hätte er die Taste der Gegensprechanlage gedrückt und wäre mit dem Wachmann im Gärtnerhaus verbunden worden. Wurde der Ankömmling erwartet oder war er ein Freund der Familie, der auf einer speziellen Liste stand, öffnete der Wachmann das Tor von seinem Schaltpult aus.
    Während Ethan darauf wartete, dass die massive Bronzebarriere aus dem Weg rollte, wurde er von der Kamera in der Überwachungsstation beobachtet. Sobald er sich innerhalb der Mauern befand, würde ihn eine Reihe in Bäumen montierter Kameras aufs Korn nehmen, die so eingestellt waren, dass sie jeden erfassen konnten, der sich mit finsteren Absichten auf den Boden eines Fahrzeugs gelegt hatte.
    Alle Überwachungskameras waren mit einer Nachtsichttechnik ausgerüstet, die selbst das schwächste Mondlicht in verräterische Helle verwandelte. Eine ausgefeilte Software filterte fast alle Verzerrungen heraus, die durch den herabfallenden Regen entstanden, sodass der Dienst tuende Wachmann ein klares Bild auf seinem Monitor erhielt.
    Kam ein Handwerker oder Lieferant in einem geschlossenen Kastenwagen oder Laster, dann wurde er gebeten, vor dem Tor zu warten, bis ein Wachmann eintraf. Dieser warf dann einen Blick ins Fahrzeug, um sich zu vergewissern, dass der Fahrer nicht gezwungen worden war, irgendwelche bösen Buben einzuschmuggeln.
    Eine Festung war der Palazzo Rospo zwar weder nach moderner Definition noch nach dem Graben und Zugbrücke erfordernden Standard des Mittelalters. Man hatte jedoch dafür gesorgt, dass das Anwesen sich Einbrechern nicht gerade auf dem Präsentierteller darbot.
    Natürlich konnte man das Tor mit einem Sprengsatz zu Fall bringen oder über die Mauer klettern. Heimlich jedoch konnte man nicht so leicht aufs Grundstück gelangen. Jeder Eindringling wurde sofort von Kameras, Bewegungsmeldern, Wärmemeldern und anderen Geräten wahrgenommen und verfolgt.
    Das zehn Meter breite Bronzetor war zwar verschnörkelt, aber sehr solide. Es wog annähernd vier Tonnen. Dank des leistungsstarken Motors, der die Zugkette antrieb, rollte es trotzdem mit scheinbarer Leichtigkeit und schneller beiseite, als man gedacht hätte.
    In den meisten amerikanischen Gemeinden hätte man ein zwanzigtausend Quadratmeter großes Grundstück als ein

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