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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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jeden Garten ruinierte, tötete er nicht jeden Hund. Der eine Nachbar sollte den anderen verdächtigen.
    Er hatte keine Angst, bei seinen Giftanschlägen geschnappt zu werden. Das allgemeine Chaos, die mächtigste Kraft im Universum, war sein Verbündeter und seine Schutzgottheit.
    Abgesehen davon waren die zu Hause gebliebenen Eltern damit beschäftigt, schlüpfrige Talkshows anzuschauen, in denen Töchtern ihren Müttern gestanden, dass sie Huren waren, und in denen Ehefrauen ihren Männern beichteten, dass sie eine Affäre mit ihrem Schwager hatten.
    Da keine Schule war, waren die Kinder damit beschäftigt, aus Videospielen zu lernen, wie man Leute umbrachte. Besser noch: Pubertierende Jungen surften im Internet nach Pornografie, ließen ihre unschuldigen kleinen Brüder daran teilhaben und schmiedeten Pläne, das kleine Mädchen von nebenan zu vergewaltigen.
    Weil er solche Betätigungen guthieß, verrichtete Corky seine Arbeit so diskret wie möglich, um diese Leute nicht von ihrer Selbstzerstörung abzulenken.
    Corky Laputa war aber nicht nur ein düsterer Vergifter. Er war ein Mann mit vielen Begabungen und Waffen.
    Während er unter den rieselnden Bäumen durch die Pfützen stapfte, verfiel er von Zeit zu Zeit in eine kleine Melodie. Natürlich sang er »Singin’ in the Rain«, was zwar ein bisschen abgedroschen war, ihn aber trotzdem amüsierte.
    Er tanzte jedoch nicht.
    Nicht, dass er nicht tanzen konnte . Obwohl er nicht so geschmeidig und rhythmisch perfekt war wie Gene Kelly, konnte er auf jeder Tanzfläche glänzen.
    In einem gelben Regenmantel, der so geräumig wie eine Nonnenkutte war, eine Straße entlangzutollen war allerdings kein kluges Verhalten für einen Anarchisten, der lieber anonym bleiben wollte.
    Die Briefkästen vor den Häusern trugen immer eine Nummer. Auf manchen stand auch der Familienname.
    Gelegentlich klang ein Name jüdisch: Stein, Levy, Glickman.
    Vor solchen Briefkästen hielt Corky kurz inne, um einen der weißen Briefumschläge einzuwerfen, die er zuhauf in einer weiteren Tasche seines Regenmantels trug.
    Auf jedem Briefumschlag befand sich ein schwarzes Hakenkreuz, im Innern steckten zwei gefaltete Blatt Papier, die mit Sicherheit Furcht einflößen und Zorn entfachen würden.
    Auf dem ersten Blatt stand in kühnen Blockbuchstaben der Satz TOD ALLEN DRECKIGEN JUDEN.
    Das zweite Blatt präsentierte ein Foto aus einem Konzentrationslager: meterhoch aufgestapelte Leichen vor den Verbrennungsöfen. Darunter leuchtete in roten Blockbuchstaben die Botschaft IHR SEID DIE NÄCHSTEN.
    Corky hegte keinerlei Vorurteile gegen das jüdische Volk. Er verachtete sämtliche Rassen, Religionen und ethnischen Gruppen gleichermaßen.
    Bei anderen Aktionen hatte er Zettel mit der Aufschrift TOD ALLEN DRECKIGEN KATHOLIKEN, TOD ALLEN SCHWARZEN und INS GEFÄNGNIS MIT ALLEN WAFFENBESITZERN verteilt.
    Seit Jahrzehnten führten die Politiker das Volk am Gängelband, indem sie es in Gruppen unterteilten, die sie gegeneinander ausspielten. Ein guter Anarchist brauchte da nur den vorhandenen Hass zu verstärken und Öl in das Feuer zu gießen, das die Politiker geschürt hatten.
    Momentan war Hass auf Israel – und damit im erweiterten Sinne auf alle Juden – die neueste intellektuelle Mode unter den glanzvollsten Gestalten der Medienlandschaft, darunter auch viele nicht religiöse Juden. Corky gab den Leuten einfach das, wonach sie verlangten.
    Von Azalee über Wandelröschen zu rankendem Jasmin, von Hund über Hund zu Briefkasten wanderte er durch den verregneten Tag und säte Chaos.
    Entschlossene Verschwörer waren durchaus in der Lage, Wolkenkratzer zum Einsturz zu bringen und eine atemberaubende Zerstörung zu verursachen. Ihr Werk war hilfreich.
    Doch zehntausend Corky Laputas konnten – einfallsreich und emsig – mit ihrer ruhigen Beharrlichkeit mehr tun, um die Fundamente der Gesellschaft zu unterhöhlen, als alle Selbstmordpiloten und Bombenleger zusammen.
    Tausend Amokschützen , dachte Corky, würde ich eintauschen gegen einen hasserfüllten Lehrer , der im Klassenzimmer subtil Propaganda verbreitet , gegen eine Kindergärtnerin mit einem unstillbaren Durst nach Grausamkeit oder einen atheistischen Priester , der sich mit Soutane , Chorhemd und Messgewand tarnt .
    Auf einem Rundweg näherte er sich der Stelle, an der er vor eineinhalb Stunden seinen BMW abgestellt hatte. Pünktlich wie die Uhr.
    Zu viel Zeit in einem Wohnviertel zu verbringen konnte riskant sein. Ein kluger Anarchist

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