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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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bleibt in Bewegung, weil das Chaos den Wanderer begünstigte und weil Bewegung die Spuren verwischte.
    Während Corkys Spaziergang hatten sich die schmutzig weißen Wolken herabgesenkt und gerannen nun zu rußiger Sauermilch. Im düsteren Gewitterlicht wartete seine silberne Limousine im nassen Schatten einer Eiche, dunkel wie Eisen.
    Bougainvillearanken peitschen durch die Luft, warfen scharlachrote Blütenblätter ab, kratzten mit dornigen Nägeln an der Stuckwand eines Hauses, als wollten sie ein Bild einritzen: scharr-scharr , kritsch-kritsch .
    Der Wind warf den Regen in Schleiern hin und her, ließ ihn durch die Luft peitschen, wirbelte ihn zu Trichtern.
    Der Regen zischte, brodelte, gluckste, klatschte.
    Corkys Mobiltelefon läutete.
    Er war noch ein gutes Stück von seinem Wagen entfernt. Wenn er mit dem Abnehmen wartete, bis er im Trockenen saß, würde er den Anruf womöglich verpassen.
    Unter dem Regenmantel zog er den rechten Arm aus dem Ärmel und löste das Handy vom Gürtel.
    Dann steckte er den Arm wieder in den Ärmel, hielt sich das Handy ans Ohr und watschelte so butterblumengelb und so zu einem fröhlichen Schmunzeln verlockend dahin wie die Figuren aus einer Kindersendung. Corky Laputa hatte dermaßen gute Laune, dass er sich mit den Worten »Hab Sonne im Herzen, ob’s stürmt oder schneit« meldete.
    Bei dem Anrufer handelte es sich um Rolf Reynerd. Da er so schwer von Begriff war wie Corky gelb, dachte er schon, er hätte sich verwählt.
    »Ich bin’s«, sagte Corky schnell, bevor Reynerd auflegen konnte.
    Als er den BMW erreichte, bereute er es längst, abgehoben zu haben. Reynerd hatte eine Dummheit begangen.

10
    Der Regen, der draußen vor dem Restaurantfenster fiel, war rein wie das Gewissen eines Säuglings, doch kaum war er aufs Straßenpflaster getroffen, überflutete er die Gosse schon mit einer schmutzig brodelnden Strömung.
    »Zehn kleine Mützchen von zehn stolzen kleinen Zipfeln«, sagte Hazard, der immer noch das Foto mit dem Glas voller Vorhäute betrachtete. »Meinst du, es handelt sich womöglich um Trophäen?«
    »Von Männern, die der Bursche umgebracht hat? Möglich, aber unwahrscheinlich. Wer so viele Morde auf dem Gewissen hat, gehört nicht zu der Sorte, die ihre Opfer zuerst mit spleenigen Geschenken in schwarzen Schachteln veralbert. Er tut es einfach.«
    »Und wenn es tatsächlich Trophäen wären, dann würde er sie nicht so anstandslos weggeben.«
    »Genau, dann wären sie der Mittelpunkt seines Wohnzimmers. Ich glaube, er hat beruflich mit Leichen zu tun, zum Beispiel in einem Bestattungsinstitut oder einem Leichenschauhaus.«
    »Postume Beschneidung.« Hazard drehte einen Käsestreifen wie ein Knäuel Spaghetti auf seine Gabel. »Ganz schön pervers, aber es muss wohl so sein. Jedenfalls weiß ich nichts von zehn ungelösten Morden, bei denen es so aussieht, als wäre der Täter ein geisteskranker Rabbi.« Er tunkte den Käse in Lebneh und aß weiter.
    »Ich glaube, er hat die Dinger ausschließlich zu dem Zweck abgeschnitten, sie an Channing Manheim zu schicken.«
    »Und was wollte er damit andeuten – dass er den guten Chan für einen Schlappschwanz hält?«
    »Ich bezweifle, dass die Botschaft so simpel ist.«
    »Allmählich kommt es mir nicht mehr so wünschenswert vor, berühmt zu sein.«
    Die vierte schwarze Schachtel war größer gewesen als die anderen. Um den Inhalt zu dokumentieren, hatte es zweier Fotos bedurft.
    Auf dem ersten Bild sah man eine honigfarbene Keramikkatze. Das Tierchen stand auf den Hinterpfoten und hielt in jeder Pfote einen Keramikkeks. Auf der Brust stand in roten Lettern KEKSE.
    »Das ist eine Art Keksdose«, sagte Ethan.
    »Ich bin so ein toller Bulle, dass ich das ganz allein rausgekriegt hab.«
    »Sie war mit Scrabble-Steinchen gefüllt.«
    Das zweite Foto zeigte ein Häufchen Buchstaben. Davor hatte Ethan mit acht Steinen die Wörter LIED und LEID gebildet.
    »In der Katze waren je vierzig Steine mit den Buchstaben L, I, E und D. Man könnte also eins der beiden Wörter vierzigmal bilden oder beide zusammen je zwanzigmal. Was der Kerl im Sinn hatte, weiß ich nicht.«
    »Vielleicht sagt der Spinner ›Ich spiel dir das Lied vom Leid‹, weil er meint, Manheim hat ihm irgendein Unrecht zugefügt, das er ihm jetzt zurückzahlen will.«
    »Möglich. Aber wieso in einer Keksdose?«
    »Man könnte auch Diele bilden, oder Eile «, sagte Hazard.
    »Ja, aber dann bleiben immer irgendwelche Buchstaben übrig, die man sonst nicht

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