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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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der Aktion jemand mit gebrochenen Knochen im Flussbett liegt, dann bist du es.«
    »Jetzt hast du die Allegorie mit der Brücke aber allzu sehr auf die Spitze getrieben«, sagte Hazard und löffelte sich Hummus auf einen Schnitz Fladenbrot.
    Nachdem Kalifornien ein halbes Jahrhundert lang von Beamten mit blütenweißer Weste und kreuzbraven Politikern verwaltet worden war, war der Staat in neuerer Zeit zu einer tiefen Klärgrube geworden. Seit den Dreißiger- und Vierzigerjahren des 20. Jahrhunderts, als Raymond Chandler über die dunklen Seiten Kaliforniens geschrieben hatte, war so etwas nicht vorgekommen. Zu Beginn des neuen Millenniums hatte die Korruption jedoch auf Regierungsebene, aber auch in allzu vielen Gemeinden, einen Fäulnisgrad erreicht, wie man ihn außerhalb von Bananenrepubliken nur selten fand. In diesem Falle handelte es sich allerdings um eine Bananenrepublik ohne Bananen und mit dem Anspruch auf ein glamouröses Image.
    Ein beträchtlicher Prozentsatz der Politiker verhielt sich wie Mitglieder einer Gangsterbande. Merkten solche Leute, dass man einem ihrer Spießgesellen auf die Zehen trat, so nahmen sie an, sie könnten als Nächstes an der Reihe sein, worauf sie ihre Macht nutzten, um ihren Gegner auf die eine oder andere Weise zugrunde zu richten.
    In einer von Gangstern besonders geplagten Ära hatte einmal ein Mann namens Eliot Ness einen Kreuzzug gegen die Korruption unternommen, unterstützt von einer Streitmacht aus furchtlosen Gesetzeshütern, die so unbestechlich waren, dass sie schlicht und einfach unter dem Namen »Die Unbestechlichen« bekannt wurden. Im heutigen Kalifornien wären Ness und seine vorbildlichen Mitstreiter allerdings weder durch Bestechungsgelder noch Kugeln zur Strecke gebracht worden, sondern allein durch eine Bürokratie, die so rücksichtslos gehandhabt wurde wie eine Axt. Sie brütete Verleumdungen für die gefräßigen Medien aus, die eine sentimentale Zuneigung für die Gangster der gewählten und nicht gewählten Sorte hegten, über die sie täglich berichteten.
    »Wenn du noch immer was Richtiges arbeiten würdest wie ich«, sagte Hazard, »dann würdest du mit der Sache auch nicht anders umgehen, als ich das tue.«
    »Stimmt. Aber ich würde nicht dasitzen und darüber grinsen.«
    Hazard zeigte auf Ethans Pullover. »Baumwolle – vom Rodeo Drive?«
    »Nein, vom Wühltisch bei Macy’s.«
    »Wie viel gibst du inzwischen für ein Paar Socken aus?«
    »Zehntausend Dollar«, sagte Ethan.
    Bisher hatte er gezögert, die Sache mit Rolf Reynerd aufs Tapet zu bringen, aber nun war das wohl das beste Mittel, um Hazard von seiner selbstmörderischen Aufgabe abzulenken, einen Stadtrat des Mordes zu bezichtigen.
    »Schau dir mal das hier an.« Ethan öffnete einen großen braunen Umschlag, zog den Inhalt heraus und reichte ihn über den Tisch.
    Während Hazard das Erhaltene begutachtete, erzählte Ethan ihm von den fünf schwarzen Schachteln, die mit Federal Express geliefert worden waren, und von der sechsten, die man übers Tor geschleudert hatte.
    »Wenn sie von Federal Express geliefert wurden, weißt du ja, wer sie geschickt hat«, sagte Hazard.
    »Nein. Der Absender war gefälscht. Die Päckchen wurden bei verschiedenen kleinen Läden abgegeben, die Sachen für FedEx und UPS annehmen. Bezahlt hat der Absender in bar.«
    »Wie viel Post bekommt Manheim eigentlich in der Woche?«
    »Etwa fünftausend Sendungen. Fast alles wird ans Studio geschickt, wo er ein Büro unterhält. Eine PR-Firma sichtet und beantwortet alles. Manheims Privatadresse ist zwar kein Geheimnis, sie ist aber auch nicht allzu sehr bekannt.«
    Der Inhalt des braunen Umschlags bestand aus hochaufgelösten Computerausdrucken von sechs Digitalaufnahmen, die Ethan in seinem Arbeitszimmer gemacht hatte. Auf der ersten sah man ein kleines Schraubglas, das auf einem weißen Tuch stand. Der Deckel lag daneben. Auf dem Tuch war der Inhalt des Glases verstreut: zweiundzwanzig Käfer mit braunen Flügeldecken und weißen Flecken an der Körperseite.
    »Maikäfer?«, fragte Hazard.
    »Die entomologische Bezeichnung lautet Melolontha melolontha, aus der Familie der Scarabaeidae. Wahrscheinlich hat das keine Bedeutung, aber ich habe es trotzdem nachgeschlagen.«
    Obwohl Hazards listiger Blick schon ohne Worte genug ausdrückte, sagte er: »Und du stehst da wie der Ochs vorm Berg.«
    »Offenbar hält dieser Typ mich für Batman und sich für den Riddler.«
    »Wieso ausgerechnet zweiundzwanzig Käfer? Hat die

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