Der Wächter
einer nicht berufstätigen Mutter.
Andere waren allein zu Hause.
In diesem Fall hatte Corky es jedoch nicht auf Kinder abgesehen, um seinen Bedürfnissen Ausdruck zu verleihen. Momentan waren sie vor dem gelben Gespenst, das zwischen ihren Häusern umherwandelte, sicher.
Außerdem war Corky zweiundvierzig. Heutzutage waren Kinder zu ausgebufft, um fremden Männern die Tür zu öffnen.
Erfreuliche Unordnung und entzückende Dekadenz hatten die Welt in neuerer Zeit bis ins Mark befallen. Deshalb waren die Lämmchen jeden Alters allmählich vor allem und jedem auf der Hut.
Corky gab sich mit geringeren Freveln zufrieden. Er freute sich einfach daran, im Unwetter draußen herumzustreifen und ein bisschen Schaden anzurichten.
In einer seiner geräumigen Innentaschen befand sich ein Plastikbeutel mit glitzernd blauen Kristallen. Ein gemein wirksames chemisches Entlaubungsmittel.
Es war vom chinesischen Militär entwickelt worden und dazu gedacht, vor etwaigen Kriegen von Mittelsleuten auf den Feldern der Feinde verteilt zu werden.
Einen zwölfmonatigen Anbauzyklus hindurch ließen die blauen Kristalle die Ernte verdorren. Ein Feind, der nicht in der Lage war, sich zu ernähren, konnte nicht kämpfen.
Einer von Corkys Kollegen an der Universität hatte vom amerikanischen Verteidigungsministerium ein Forschungsstipendium erhalten, um die Kristalle zu untersuchen. Beim Ministerium hatte man das dringende Bedürfnis, irgendein Mittel zum Schutz gegen die Chemikalie zu entwickeln, sollte diese je zur Anwendung kommen.
In seinem Labor hatte der Kollege einen Behälter mit fünfundzwanzig Kilo Kristallen stehen. Corky hatte ein Pfund davon stibitzt.
Er trug dünne Schutzhandschuhe aus Latex, die er in den großen, flügelähnlichen Ärmeln seines Regenmantels leicht verbergen konnte.
Der Mantel wirkte wie ein Umhang. Die Ärmel waren so geräumig, dass Corky die Arme herausziehen konnte, um in den Innentaschen zu wühlen und mit zwei Hand voll Gift wieder hineinzuschlüpfen.
Er verstreute die blauen Kristalle auf Primeln und Lilien, auf Sternjasmin und Bougainvillea, auf Azaleen und Farnen, auf Beetrosen und Wandelröschen.
Der Regen löste die Kristalle rasch auf und ließ das Gift in die Wurzeln sickern.
Innerhalb einer Woche würden die Pflanzen sich gelb färben und Blätter verlieren. Nach zwei Wochen waren sie dann zu ekligem, stinkendem Schlick verfault.
Große Bäume wurden von der Menge, die Corky verstreuen konnte, nicht angegriffen, aber Rasenflächen, Blumen, Sträucher, Kletterpflanzen und kleinere Bäume würden in zufrieden stellender Menge eingehen.
Nicht in jedem Garten säte Corky den Tod. Ohne erkennbares Muster wählte er etwa eines von drei Häusern.
Wäre eine ganze Häuserzeile betroffen gewesen, hätte die gemeinsam erlittene Katastrophe die Bewohner womöglich zusammengeschart. Blieben hingegen einige Gärten unversehrt, so zogen ihre Besitzer den Neid der Geschädigten auf sich und gerieten womöglich sogar unter Verdacht.
Corkys Mission bestand nicht allein darin, Zerstörung zu verursachen. Jeder Trottel konnte etwas kaputtmachen. Corky hegte darüber hinaus vielmehr die Absicht, Streit, Misstrauen, Zwietracht und Verzweiflung zu verbreiten.
Gelegentlich bellte oder knurrte ein Hund, der hinter einem Bretterzaun oder einer Steinmauer angeleint auf der Veranda oder in seiner Hütte lag.
Corky mochte Hunde; schließlich waren sie des Menschen bester Freund. Allerdings war ihm schleierhaft, weshalb sie trotz der widerwärtigen Natur der Menschheit den Drang verspürten, diese Rolle zu besetzen.
Immer wenn er einen Hund hörte, holte er einen leckeren Keks aus einer der Innentaschen, um diesen dann über den Zaun oder auf die Veranda zu werfen.
Im Interesse der gesellschaftlichen Dekonstruktion konnte er seine Liebe zu Hunden hintanstellen und tun, was getan werden musste. Manchmal war man gezwungen, Opfer zu bringen.
Wo gehobelt wird, da fallen schließlich Späne, und so weiter und so fort.
Die Hundekekse waren mit Zyanid getränkt, wodurch die Tiere wesentlich schneller starben als die Pflanzen.
Kaum etwas schuf so wirkungsvoll Verzweiflung wie der vorzeitige Tod eines geliebten Haustiers.
Corky war traurig. Traurig wegen der unglückseligen Hunde.
Glücklich war er jedoch auch. Glücklich darüber, dass er Tag für Tag mit tausend kleinen Tricks zum Sturz einer korrupten Ordnung beitrug – und damit zur Entstehung einer besseren Welt.
Aus demselben Grund, aus dem er nicht
Weitere Kostenlose Bücher