Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman
unten, so als würde ihn der Teufel in die Unterwelt führen.
„Was nun diese Methode betrifft“, fuhr der Oberleutnant fort, „so kann man sagen, dass sie sehr unangenehm oder sogar noch schlimmer ist. Aber da führt kein Weg daran vorbei, alle Mitglieder des ZK und des Politbüros durchlaufen sie einmal alle zwei Jahre. Aber bei ihnen und auch bei uns wird die Willenskraft überprüft, und das ist, so würde ich sagen, noch schmerzhafter.“
Nachdem Dobrynin und Woltschanow zwei Stockwerke nach unten gestiegen waren, gingen sie wieder einen Korridor entlang. Im Halbdunkel saß ein wachhabender Milizionär auf einem Hocker, er sprang auf und erschreckte dabei den Volkskontrolleur. Er salutierte und Woltschanow nickte ihm zu.
„Kommen Sie hier herein!“ Der Oberleutnant öffnete eine schwere Eisentür.
Dobrynin trat ein und blickte um sich. Das Zimmer war geräumig und sehr hell. Fenster gab es selbstverständlich keine, aber dafür hingen gleich vier starke Lampen von der weißen Zimmerdecke. Vor einer Wand standen zwei merkwürdige Stühle und in einer Ecke befand sich eine Apparatur, die aus verschiedenen Röhren, Drähten und einfachen Eisenteilen bestand, deren Zweck nicht zu erkennen war, die aber alle zum selben Mechanismus gehörten. An der anderen Wand, vor der ein Schreibtisch mit einer Druckmaschine stand, hing ein Bild des Führers. Der restliche Raum war vollkommen leer.
„Nun, hier ist sozusagen unser Reich“, erklärte Woltschanow, der hinter dem Volkskontrolleur hereintrat. „Ich werde Ihnen nun das Wie und Was genauer erklären.“
Dobrynin glaubte, dass er schon zu verstehen begann, wovon der Oberleutnant sprach. Er erinnerte sich daran, dass er als Kind die Angewohnheit besessen hatte, sich selbst kräftig gegen die Stirn zu schlagen, um sich etwas Vergessenes in Erinnerung zu rufen. Und es hatte dann tatsächlich geholfen! Obgleich ihm damals die Schläge auf die Stirn selbstverständlich keinen Schmerz bereitet hatten.
„Setzen Sie sich dahin!“, forderte ihn Woltschanow auf und zeigte auf einen der seltsamen Stühle. Dobrynin setzte sich. Der Stuhl erwies sich als ziemlich bequem, er hatte sogar einen weichen Polstersitz.
„So, nun haben Sie sich hingesetzt“, sagte der Oberleutnant, „und jetzt stimmen Sie sich ein … denken Sie an die verstorbenen Genossen, an die Feinde. Denken Sie ganz fest an sie!“
Pawel Aleksandrowitsch presste die Hände zu Fäusten zusammen und begann nachzudenken.
„Nun?!“, fragte Woltschanow nach einigen Minuten. „Bereit?“
Dobrynin nickte.
Der Oberleutnant kam näher, überprüfte, ob der Volkskontrolleur gut saß, machte dann zwei Schritte auf den merkwürdigen Apparat zu, drehte dort an einer Kurbel und Dobrynin kam es so vor, als würde ein Pfeil, spitz wie eine Nadel, durch seinen Körper hindurchschießen. Ein heftiger Schmerz hob ihn ein Stück weit aus dem Stuhl, er plumpste jedoch gleich darauf entkräftet und schlapp wieder zurück. Seine Augen trübten sich und es gellte in seinen Ohren. Ihm blieb die Luft weg.
„Na? Na?!“, drang aus weiter Ferne Woltschanows Stimme an sein Ohr. „Geht es?“
Einige Minuten vergingen, bevor Dobrynin den Oberleutnant wieder sehen konnte.
„Sie verstehen, dass das sein muss?“, fragte Woltschanow. „Wenn Ihnen jetzt nicht noch etwas Wichtiges einfällt, dann können wir die uns auferlegte Aufgabe nicht vollständig erfüllen.“
Der Volkskontrolleur nickte. In seinem Kopf erschien ein Bild nach dem anderen aus dem Norden, Wortfetzen von Menschen, die er dort getroffen hatte.
„Sprechen Sie! Sagen Sie, was Ihnen in den Sinn kommt!“
„Die Japaner … Die Japaner sind nachts gekommen, um die Parteibeiträge abzuholen …“
„Nein“, schüttelte der Oberleutnant den Kopf. „Das haben Sie schon aufgeschrieben! Etwas anderes …“
Dobrynin strengte sich noch mehr an, aber alles, was ihm in den Sinn kam, hatte er bereits aufgeschrieben.
„Machen wir es noch einmal!“, bat der Volkskontrolleur und zeigte mit schwerer Hand in die Ecke des Zimmers, in welcher der Apparat mit all seinen Röhren und Drähten stand.
Woltschanow seufzte, nickte dann und ging zu dem merkwürdigen Mechanismus. Wieder drehte er an der Kurbel. Wieder drang ein spitzer Pfeil von unten nach oben durch den Körper des Volkskontrolleurs hindurch und bohrte sich ihm von innen her in seine Schädeldecke. Dieses Mal durchlief ihn der Schmerz wie eine immer stärker werdende Welle und explodierte direkt in
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