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Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Titel: Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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Tisch und machte sich daran, in seiner rundlichen, unregelmäßigen Schrift die Worte zu formen, aus denen seine Erzählung über die Ereignisse im hohen Norden bestand.
    „Ich mache inzwischen Tee für Sie!“, sagte Oberleutnant Woltschanow und ging aus dem Zimmer.
    Dobrynin fiel das Schreiben schwer. Seine Finger, die den Stift fest umklammert hielten, wurden taub. Die Feder zerkratzte von Zeit zu Zeit das Papier. Pawel Aleksandrowitsch war nicht gerade ein Meister im Schreiben, aber er hatte dennoch ein Gefühl dafür, dass er sich in seiner Erzählung bereits so viele Male vertan hatte, dass sie nicht für jeden Leser verständlich sein würde. Allmählich ging die Sache jedoch voran. Mit Tinte geschrieben füllten die Wörter Zeile um Zeile, und die weißen Papierblätter wurden voll. In der Stille des Zimmers war nur das Geräusch der Feder zu hören.
    Oberleutnant Woltschanow kehrte zurück. Er öffnete die Zimmertür mit dem Fuß, da er ein Blechtablett in den Händen trug. Auf diesem standen wie in einem Märchen zwei Gläser mit dampfendem, wohlriechendem Tee, ein Teller mit aufgeschnittenen Brot- und Wurstscheiben sowie ein weiterer Teller mit köstlich aussehenden Keksen in Form von kleinen fünfzackigen Sternen. Woltschanow stellte es auf seiner Tischhälfte ab, um Dobrynin nicht zu stören. Der Volkskontrolleur schob jedoch die bereits vollgeschriebenen Seiten von sich und gab damit zu verstehen, dass er seine Arbeit beendet hatte.
    Der Oberleutnant schob alle Papiere, darunter auch jene, die Dobrynin gerade erst beschrieben hatte, an den Rand des Tisches und rückte das Tablett in die Mitte.
    „Stärken Sie sich!“, forderte ihn Woltschanow mit müder Stimme auf.
    Der Volkskontrolleur legte zwei Scheiben Schweinswurst auf eine Scheibe Brot, nahm einen Schluck Tee dazu, der sehr stark und köstlich war und auch schon gezuckert, dann erst seufzte er erleichtert.
    Nachdem auch Woltschanow ein wenig Tee getrunken hatte, nahm er Dobrynins schriftliche Erzählung zur Hand und begann zu lesen, wobei er aus Gewohnheit die Lippen lautlos bewegte.
    Während Woltschanow las, gelang es dem Volkskontrolleur, drei belegte Brote und einige der Sternenkekse zu essen. Die Kekse waren so süß, dass sie im Mund zergingen. Dobrynin fragte sich, ob seine Kinder im fernen Dorf Kroschkino solche Kekse wohl schon gekostet hatten.
    „Jaa“, sagte der Oberleutnant nachdenklich, während er die Blätter beiseitelegte. „Anscheinend sind Sie direkt bis ins Lager des Feindes vorgestoßen!“
    Woltschanow runzelte die Stirn und zupfte mit der Hand am obersten Knopf seines Rocks. Man konnte sehen, dass er in diesem Moment über sehr wichtige Dinge nachdachte.
    „Genosse Dobrynin, wie stehen Sie zur sowjetischen Wissenschaft?“, fragte der Oberleutnant.
    „Nun … gut, natürlich …“
    „Das heißt, Sie haben vollstes Vertrauen in die Wissenschaft?“
    „Ja …“
    „Das ist sehr wichtig“, meinte Woltschanow, während er immer noch gedankenverloren an seinem Jackenknopf zupfte. „Es geht um Folgendes … Wir haben hier eine Spezialvorrichtung, die bereits breitflächig erprobt ist. Sie dient einem doppelten Zweck. Erstens zur Stärkung und Überprüfung der Willenskraft und zweitens zur kurzfristigen Verbesserung des Gedächtnisses. Ist das verständlich?“
    „Nein“, gestand Dobrynin.
    „Nun, ich werde noch etwas Tee nachschenken, und dann gehen wir zwei Stockwerke tiefer. Dort zeige ich es Ihnen …“
    Und Woltschanow machte sich ein Wurstbrot und begann es bedächtig zu essen. Dazu trank er Tee.
    „Sie müssen verstehen, worum es hier geht, Genosse Dobrynin“, fuhr er fort, während er sein Brot kaute. „Sie haben hier sehr viel Wichtiges aufgeschrieben. Aber nicht alles. Und nicht, weil Sie nicht alles aufschreiben wollten, sondern aus einem anderen Grund. Sie haben ganz einfach viele wichtige Einzelheiten vergessen. Und dafür gibt es eine spezielle Methode, die von einem sowjetischen Wissenschaftler erfunden wurde. Damit sich ein Mensch an etwas erinnert, benötigt er im Allgemeinen einen unerwarteten Schock oder ganz gewöhnliche Schmerzgefühle. Nun, kommen Sie, ich habe schon ausgetrunken.“
    Woltschanow stand auf. Zu zweit verließen sie das Zimmer, gingen etwa fünfzehn Schritte über den dunklen Korridor und stiegen dann eine Treppe hinab.
    Wieder empfand Dobrynin Verwunderung, da er sich erinnerte, dass er das Gebäude im Erdgeschoß betreten hatte, und jetzt ging es immer noch weiter nach

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