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Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Titel: Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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verblüfft.
    „Stell noch eine andere Frage, etwas Schwierigeres!“, bat Woltschanow.
    Wieder begann der Volkskontrolleur nachzudenken. Und da tauchte ausgelöst durch den beunruhigenden Mechanismus aus seinem Gedächtnis eine Frage auf, die er nicht verstand, jedoch war sie klar und deutlich da und deshalb sprach Dobrynin sie aus:
    „Wie kann die Arbeiter- und Bauerninspektion neu organisiert werden?“ Und schon drehte er die Kurbel des Apparats.
    Vor den Augen des Volkskontrolleurs leuchtete es auf, als wäre ein Blitz durch Woltschanow gefahren. Den Oberleutnant hob es wieder aus dem Stuhl, dann fiel er auf den Sitz zurück und ließ den Kopf auf die Schulter sinken.
    Einen Moment lang erschrak Dobrynin, er dachte, das Herz des Oberleutnants habe die wissenschaftlichen Errungenschaften nicht aushalten können. Aber nach ein paar Minuten begannen Woltschanows Wimpern zu zucken und gaben somit ein Lebenszeichen. Nachdem noch weitere Zeit vergangen war, öffnete er die Augen, und obgleich sein Blick vernebelt und trübe war, gab er Dobrynin berechtigte Hoffnung auf eine Antwort.
    „Man muss die Schlaumeier erschießen“, sagte Woltschanow plötzlich mit heiserer Stimme.
    Dobrynin versuchte, die Frage mit der Antwort in Verbindung zu bringen, und obwohl das schwierig schien, gelangte der Volkskontrolleur dennoch nach einigem Überlegen zu dem Schluss, dass Woltschanows Worte Sinn haben könnten.
    Während Dobrynin noch über Lenins seltsame und unverständliche Frage nachdachte und über die im Gegensatz dazu völlig klare Antwort von Woltschanow, war der Oberleutnant wieder ganz zu sich gekommen und sah den Volkskontrolleur mit inzwischen klarem Blick an.
    „Und?“, fragte er, und aus seiner Stimme war Stolz herauszuhören, entweder auf sich selbst oder auf die sowjetische Wissenschaft.
    „Ja, ja ...“ Dobrynin zeigte sich mit seinem Stolz einverstanden und dachte über Woltschanow: Wie stark er doch ist! Aus diesem Anlass kamen ihm zum wiederholten Mal Zweifel an den Worten des Dichters: „Allein ist man ein Nichts!“ Wie konnte der Mensch ein Nichts sein, wenn er so leicht jegliche Entbehrung und sogar Schmerzen ertragen konnte, und das alles aus Liebe zum Vaterland?
    „Wie heißt du mit Vornamen?“, fragte der Oberleutnant wie ein richtiger Kamerad.
    „Pascha.“
    „Und ich heiße Timofej, kurz gesagt Timocha!“, sagte Woltschanow und reichte Dobrynin die Hand.
    Der Händedruck war kräftig und aufrichtig.
    „Du bist ein Prachtkerl, Pawel“, meinte Timofej. „Einer von uns! Komm, lass uns noch Tee trinken und von Mann zu Mann reden!“
    Dobrynin und Woltschanow verließen den Raum und gingen wieder an dem eingenickten Milizionär auf Wache vorbei, aber diesmal schlummerte er so fest, dass er gar nicht aufwachte.
    „Das wird noch böse enden!“, schüttelte Timofej den Kopf. „Aber er ist schließlich auch einer von uns. Wenn auch dem Schlaf sehr zugeneigt!“
    Sie stiegen zwei Stockwerke hinauf und betraten das Büro des Oberleutnants. Dieser holte noch mehr Tee, Wurstbrote und Kekse.
    „Ich fühle mich so dreckig nach dieser überplanmäßigen Blutspende“, beklagte sich Woltschanow, der bereits das zweite belegte Brot aß. „Die Norm ist achthundert Gramm, beinahe ein Liter, aber die erhöhte Menge ist ein Liter und zweihundert Gramm! Sie hätten uns Zucker dazu verabreichen müssen, um unsere Gesundheit wiederherzustellen, aber es gab keinen … Aber das macht nichts, wir halten es aus!“
    Dobrynin blieb mit der Anzahl seiner Brote nicht hinter Timofej zurück. Von Zeit zu Zeit durchliefen die Nachwirkungen des Schmerzes ihre Körper, aber Pawel schenkte ihnen keine besondere Aufmerksamkeit. Sein Körper zuckte hin und wieder etwas, aber das war Dobrynin nicht wichtig.
    „Ach übrigens ...“ Der Volkskontrolleur erinnerte sich plötzlich an Woltschanows anfängliche Worte über die Überprüfung der Willenskraft. „Wie überprüft man denn dort den Willen? Etwa genau so?“
    „Ah, sprichst du von ÜT und ÜW ?“
    „Was?“, fragte Dobrynin nach.
    „Na, die Überprüfung der Treue und die Überprüfung der Willenskraft, also die wissenschaftlichen Überprüfungen des Menschen, so heißt das richtig. Das ist eine ernsthaftere Sache als das, was wir gemacht haben. Ich habe schon gesagt, dass die Mitglieder des ZK und des Politbüros diese Prüfung einmal alle zwei Jahre durchlaufen müssen …“
    „Haben auch sie Schmerzen dabei?“, fragte Dobrynin und dachte besorgt an den

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