Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman
dann!“, sagte der Volkskontrolleur nun schon entschiedener und verließ schnell die Wohnung. Dabei schlug er die Tür fest hinter sich zu, damit das Sicherheitsschloss automatisch zuschnappen konnte.
Auf der Stiege kam ihm der Hausmeister Wasilij entgegen. Als er Dobrynin sah, lächelte er erfreut. Dann stutzte er plötzlich und fragte:
„Aber wo wollen Sie denn hin, Genosse Dobrynin, ich bringe doch das Mittagessen …“
„Ich muss dringend in den Kreml, Wasilij. Man hat mich rufen lassen“, erklärte der Volkskontrolleur mit völlig veränderter, mutigerer Stimme.
Wasilij schüttelte den Kopf, um Dobrynin zugleich sein Mitleid und seinen Respekt zu bezeigen.
„Schade“, sagte er. „So eine gute Suppe, ganz russisch, mit Kohl. Als Hauptspeise Blutwurst mit Buchweizengrütze, und Sie müssen in den Kreml. Die Blutwurst ist so gut, dass man sich alle zehn Finger abschleckt, ich habe sie gerade erst beim Koch probiert …“
Bei der Erwähnung der Blutwurst spürte Dobrynin wieder den Geschmack von Blut auf der Zunge. Er ärgerte sich darüber, spuckte unfein aus und lief, ohne ein weiteres Wort an den Hausmeister zu richten, über die Treppe nach unten.
Genau in diesem Moment fuhr ein Wagen vor dem Hauseingang vor. Dobrynin nahm auf dem Vordersitz neben dem Fahrer Platz und murmelte: „Los!“
Es war immer noch hell. Auf den Gehsteigen waren viele Fußgänger unterwegs. Auf den Kreuzungen standen Wachposten ganz in Weiß und gaben den Autofahrern Zeichen mit speziellen Stäben. Aber immer wenn der Wagen, in dem Dobrynin saß, zur nächsten Kreuzung kam, nahm der Milizionär Haltung an, hielt den Verkehr an und salutierte, während er sie passieren ließ. Doch ärgerte das Dobrynin diesmal, er regte sich richtig darüber auf, und das alles nur wegen des beharrlichen Blutgeschmacks auf der Zunge.
Sie fuhren durch ein anderes Tor als gewohnt in den Kreml, und als der Wagen auch noch vor einem ganz anderen Gebäude anhielt, begriff der Volkskontrolleur, dass er dieses Mal nicht zu Genosse Kalinin gebracht wurde, sondern an einen anderen Ort.
Als Pawel Aleksandrowitsch aus dem Auto gestiegen war, kam auch schon ein sympathischer, untersetzter Soldat auf ihn zu, salutierte und bat ihn, mitzukommen.
Sie betraten ein kleines zweigeschoßiges Gebäude und stiegen gleich über eine Treppe nach unten. Es ging drei Stockwerke hinunter, was den Volkskontrolleur vollkommen verwirrte. Sie waren schließlich im Erdgeschoß hereingekommen! Wie war es dann möglich, dass man vom Erdgeschoß aus drei Stockwerke nach unten ging?! Dobrynin begriff allerdings, dass er selbst nicht verrückt war und auch nichts durcheinandergebracht haben konnte. Das bedeutete also, dass es hier ein Geheimnis technischer Natur geben musste.
Sie blieben vor einer massiven, schwarzen Tür stehen. Der Soldat drückte einen Klingelknopf, der sich neben der Tür an der Wand befand. Die Tür öffnete sich.
Pawel Aleksandrowitsch trat ein, während der Soldat im Flur zurückblieb.
„Guten Tag, Genosse Dobrynin!“, sagte ein kleiner, hagerer Mann in Militäruniform zum Volkskontrolleur. Das Gesicht dieses Mannes trug einen so ernsten Ausdruck, dass Pawel Aleksandrowitsch ganz unsicher wurde.
„Kommen Sie herein, setzen Sie sich!“, lud ihn der Mann ein und zeigte mit der rechten Hand auf einen Hocker, der an einem kleinen Schreibtisch stand, an dem dieser Mann anscheinend arbeitete.
Dobrynin setzte sich auf den Hocker. Der Mann setzte sich an den Tisch und starrte Dobrynin an, ohne zu blinzeln oder seinen Gesichtsausdruck zu verändern.
Dobrynin konnte sein Starren nicht ertragen und blickte zur Seite. Was er dort sah, machte ihm innerlich wieder Mut, da er auf dem Tresorschrank, der in der linken Ecke stand, die gelbe Aktentasche und das an die Wand gelehnte Kriwizkij-Porträt bemerkte.
„Genosse Kalinin hat mir kurz darüber berichtet, was dort bei Ihnen passiert ist. Aber ich muss das alles unbedingt noch einmal von Ihnen hören. Verstehen Sie, wie wichtig das ist?!“
„Ja“, sagte Dobrynin.
„Gut“, entgegnete der Uniformierte. „Ich heiße Genosse Woltschanow, Sie können aber auch Genosse Oberleutnant zu mir sagen. Entschuldigen Sie bitte, ich fühle mich nicht besonders gut – unsere Abteilung hat heute Blut gespendet. Also schreiben Sie am besten alles auf, hier haben Sie Papier und einen Stift. Ich lese es mir dann durch, und danach fahren wir fort.“
Dobrynin nahm wie geheißen den Stift, beugte sich über den
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