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Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Titel: Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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Stepanowitsch mit strengem Blick, dann nickte er ihm zu, während dieser weiterging. Da aber wandte sich der Milizionär zu Pawel. Sein Blick blieb an dessen Reisesack hängen, und Pawel, der sich unter den deutlichen Gesten des Milizionärs schuldig fühlte, stellte seinen Sack auf den Tisch des Aufsehers. Polternd schlug die Axt gegen die Tischplatte und der Milizionär kniff die Augen zusammen. Er öffnete den Sack und holte als Erstes das Stoffsäckchen mit dem Zwieback heraus, dann alles Übrige und ganz zum Schluss die Axt. Während der Milizionär den Gegenstand betrachtete, den er zuletzt hervorgeholt hatte, versank er in Gedanken. Das Ganze passierte so lautlos, dass Pawel Beklemmungen in den Ohren bekam.
    „Genosse Milizionär“, sagte Viktor Stepanowitsch plötzlich. „Genosse Kalinin erwartet uns.“
    Der Milizionär rief einen seiner Vorgesetzten an, meldete die Axt sowie den verdächtigen Zwieback und auch, dass die Besucher angeblich von Genosse Kalinin erwartet würden. Buchstäblich eine halbe Minute später läutete das zweite Telefon auf dem Tisch. Der diensthabende Milizionär hob ab, nickte nur in den Hörer und wiederholte „jawohl“ und „zu Befehl“.
    Als er aufgelegt hatte, wandte er sich zu Viktor Stepanowitsch um.
    „Sie können gehen. Wissen Sie wohin?“
    „Natürlich“, antwortete Viktor Stepanowitsch und seine Stimme klang jetzt streng. „Ich bin jeden Tag hier!“
    „Aber das lassen Sie hier!“ Der Milizionär zeigte mit dem Finger auf den Sack und dessen Inhalt. „Es wird befohlen, das in Ordnung zu bringen.“
    „Also gehen wir!“, sagte Viktor Stepanowitsch leise zu Dobrynin.
    „Aber …“, Pawel wollte nach seinen Sachen fragen, Viktor Stepanowitsch jedoch winkte ab und deutete auf die schmale Marmortreppe, die ein Läufer bedeckte, der ursprünglich rot und inzwischen ziemlich abgetreten war.
    „Wir holen sie wieder ab!“, sagte er dann im ersten Stock. „Ihr Zwieback geht nicht verloren!“
    In einem bescheidenen Arbeitszimmer, in dem es fast keine Möbel gab, empfing sie ein großer, magerer Mann von etwa fünfundvierzig Jahren, der einen dunklen Anzug mit einem Orden trug. Er lächelte wohlwollend, während er mit der rechten Hand über sein chinesisches Bärtchen strich.
    „Aaah!“, sagte er gedehnt, während er die Augen zusammenkniff und Dobrynin musterte. „Da sind Sie also!“ Und er schüttelte den Kopf, so als ob er erstaunt wäre und Dobrynins Äußerem die Bestnote geben würde.
    Es blieb freilich unklar, was er meinte. War es nun das offene und auf einfache Art schöne Gesicht des Volkskontrolleurs, oder seine Kleidung, die ebenfalls einfach und verhältnismäßig ordentlich war.
    „Aber treten Sie doch ein, setzen Sie sich hierher an den Tisch. Unterhalten wir uns ein wenig“, sagte Genosse Kalinin einladend, indem er einen Schritt zurück ins Zimmer trat. „Schade nur, dass ich außer Zucker nichts zum Tee anbieten kann …“
    Pawel öffnete den Mund und wollte schon sagen: Aber ich hatte Zwieback, nur hat mir der Milizionär den abgenommen!, aber er sagte es nicht, da er fürchtete, dass es im Kreml nicht üblich war, allzu dreist zu sprechen.
    Der Gastgeber bemerkte, dass Pawel den Mund öffnete, dann aber doch schwieg, und er fragte geradeheraus:
    „Was wollten Sie denn sagen, Genosse Dobrynin?“
    „Also ich … Ich habe etwas zum Tee, in meinem Sack … Zwieback hatte ich, aber man hat ihn mir abgenommen …“
    „Wer war das?!“, fragte Kalinin ernst, das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht und die gutmütig zusammengekniffenen Augen verwandelten sich in zwei kleinkalibrige Gewehre.
    Pawel erzählte ihm, was unten vorgefallen war, woraufhin Genosse Kalinin einen Blick in den Korridor warf und etwas hinausrief. Als ob nichts gewesen wäre, bat er die Gäste daraufhin nachdrücklich, sich an den Tisch zu setzen, und nahm selbst dort Platz. Es war ein Beistelltisch für drei Besucher, der die ganze Möbelkombination dieses Zimmers einem verschnörkelten „T“ ähneln ließ. Genosse Kalinin machte nicht die Runde um den großen Schreibtisch, um sich in seinen Sessel zu setzen, sondern setzte sich neben seine Gäste, so als wäre er der dritte Besucher.
    Ein Soldat brachte auf einem Tablett drei Teegläser in Glashaltern, goss Tee hinein und stellte hierauf eine Dose auf den Tisch, die randvoll mit Würfelzucker gefüllt war. Dann ging er hinaus.
    Nach einer weiteren Minute brachte man Pawels Reisesack ins Zimmer. Er wurde von

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