Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman
dortgeblieben, und hier hab ich meine dienstliche Frau bekommen. Es gibt so eine Regel – wer nicht aus Moskau ist, der bekommt hier eine Frau, sozusagen eine Nomenklatura-Frau. Aber keine Angst, sie werden von uns überprüft und besitzen unser vollstes Vertrauen, und sollte irgendetwas sein, dann tu dir keinen Zwang an, sag es und wir tauschen deine aus …“
„Na, wenn das so vorgeschrieben ist …“, Pawel machte eine verwunderte Geste mit der Hand.
„Macht dir vielleicht sonst noch etwas Sorgen? Denkst du an deine Familie?! Da sei beruhigt, sie sind in der Obhut der Partei. Es ist also alles in Ordnung, wie du siehst … So, und jetzt das Wichtigste. Ich habe mich entschlossen, dir ein Geschenk zu machen, Pawel … Kein schlichtes Geschenk …“ Genosse Kalinin sah forschend in die Augen des Volkskontrolleurs. „Ein Geschenk, für das viele ihr halbes Leben geben würden. Kurz gesagt, ich schenke dir ein weißes Pferd.“
Nachdem er tief geseufzt hatte, schwieg Genosse Kalinin einige Zeit. Dabei ging ihm offenbar etwas durch den Kopf oder aber er schwelgte in Erinnerungen.
Pawel aber horchte auf die Stille, die entstanden war, und dachte nach. Er dachte darüber nach, dass man ihn höchstwahrscheinlich nicht zufällig ausgewählt hatte, und auch nicht aus dem Wunsch heraus, einen ehrlichen und rechtschaffenen Menschen loszuwerden. Dafür gab es offenbar besondere Gründe, die er, wenn überhaupt, nicht so bald erfahren würde.
Draußen wurde es Abend, und ungeachtet dessen, dass gleich nebenan das Großstadtleben tobte, war es still und ruhig. Vielleicht sogar ruhiger als zur selben Zeit im Dorf Kroschkino, wo mit dem Einfall der Dämmerung die Hofhunde dreist wurden, sobald man sie nicht mehr sehen konnte, und ihre bellende Unterhaltung begannen, in der sie einander erzählten, wer von ihnen einen wie großen Knochen erhalten hatte. Dort würde das Gebell jetzt bis Mitternacht andauern, bis ihre Besitzer, die schon ganz benommen davon waren, ihre Köter beschimpfen würden, worauf der Stock zu folgen drohte, und nachdem die Hunde das selbstverständlich wussten, würden sie rechtzeitig verstummen und ihre Schnauzen in die warme Erde stecken.
Mit einem Mal erwachte Genosse Kalinin wieder, ging um seinen Schreibtisch herum und zog aus einer Schublade ein Büchlein hervor, das er Pawel überreichte.
„Lenin für Kinder“, las Pawel den Titel und betrachtete den Umschlag, auf dem der große Führer auf einer Bank abgebildet war, umringt von einer Kinderschar.
„Lass dich nicht vom Titel beirren“, sagte Genosse Kalinin mit ermüdeter Stimme. „Dieses Buch wirst du gut gebrauchen können! Eigentlich ist es nicht nur für Kinder. Ich habe dir jetzt so ziemlich alles gesagt. Morgen Nachmittag wird man dir auf dem Flughafen den Sattel überreichen. Und jetzt fahr nach Hause und ruh dich aus …“
„Und was ist mit dem weißen Pferd?“, fragte Pawel leise und wurde sogleich verlegen wegen seiner vorlauten Frage.
„Das Pferd?“, wiederholte Genosse Kalinin. „Das Pferd wird ebenfalls zum Flughafen gebracht. Es ist hier, in den Kreml-Stallungen. In Ordnung?“
Pawel spürte einen Wunsch in sich aufsteigen, den er dem Genossen Kalinin nicht verschweigen mochte. Aber er wusste nicht, wie er es sagen sollte, da er keine zweite dreiste Frage stellen wollte.
„Na, warum schweigst du? Ich sehe doch, dass du etwas auf dem Herzen hast?“, bemerkte Genosse Kalinin aufmerksam.
„Ja, also … ich …“
„Na, heraus damit!“
„Ich würde gerne, Genosse Kalinin …“
„Nenn mich doch bei meinem Vornamen, wir sind jetzt gleichgestellt!“
„Also … Michail, ich würde gern auf diesem Pferd vom Kreml zum Flughafen reiten …“
„Jaaa …“, sagte Genosse Kalinin. „Was für ein Wunsch, das sage ich dir!“
„Aber nur, wenn es möglich ist, wenn nicht, dann …“
„Sofort!“, unterbrach ihn Kalinin und ging zum Telefon. „He, Wasja!“, sagte er zu jemandem. „Ist für morgen eine Eskorte frei? Ja? Gut. Dann ordne an, dass sie gegen zwölf am Erlösertor bereitsteht! – Na bitte.“ Genosse Kalinin legte den Hörer auf und blickte den Volkskontrolleur an. „Erledigt. Du sollst deinen Ritt haben!“
„Danke!“ Pawels Augen leuchteten und er konnte gerade noch den Drang in sich bezähmen, Genosse Kalinin zu umarmen und zu küssen.
„Bedanke dich später! Das Wichtigste ist, das Vaterland zu lieben und alles für sein Wohl zu unternehmen! Das ist alles, geh! Nein, warte, sag
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