Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman
tatsächlich einen ernsthaften Grund, um wieder zusammenzutreffen.
Schweigend gingen Siljin und Polja durch die leeren, aber gut beleuchteten Straßen Moskaus. Beide waren sie müde und angeheitert. Polja dachte an Sonjas Ohrringe und seufzte im Wissen darum, dass ihr Mann einen solchen Wunsch nicht billigte. Grigorij Markelowitsch seinerseits entwarf im Gehen eine gedankliche Skizze seiner Rationalisierungsidee, dank derer er einen neuen Rekord in der Stahlproduktion aufzustellen gedachte. Die Wette machte ihm keine großen Gedanken, er war davon überzeugt, dass er sie mühelos gewinnen würde – das Wichtigste war, das war ihm bereits klar, die Schieber gegen die kalte Luft zu isolieren.
Irgendwo in einer Parallelstraße ertönte das lebhafte Rattern einer nächtlichen Straßenbahn. Sie lenkte sowohl Polja als auch Grigorij Markelowitsch von ihren Gedanken ab. Vor ihnen überquerten zwei berittene Milizionäre auf Nachtpatrouille die Straße.
Alles war alltäglich und friedlich. Die Stadt schlief tief und fest, und wenn man aus der Höhe eines Luftschiffes herabgesehen hätte, so wären nur die Fabriken und Werke mit durchgehendem Betrieb, dazu noch die Bäckereien und Zeitungsdruckereien als helle Lichtpunkte der Arbeit erschienen, die sich den biologischen Gesetzen der Nachtruhe lebender Organismen nicht unterwarfen.
Da gellte plötzlich ein feines, unangenehmes Pfeifen in Poljas Ohren und sie spürte, wie die Hand ihres Mannes unter ihrer Hand unglaublich schwer wurde, und als sie sich umwandte, sah sie, wie er zu Boden sank und dabei mit der anderen Hand seinen Arbeiterorden bedeckte.
„Was ist mit dir? Was ist los?“, fragte Polja und beugte sich hinab. Dabei dachte sie, dass ihrem Mann wohl schlecht geworden sei, weil er Wodka und Madeira gemischt hatte. „Was ist los, Grischa?“
Aber Grischa lag bereits plump auf dem Gehsteig und seine Augen waren starr nach oben zum Moskauer Himmel gerichtet.
Kalter Schweiß trat auf Poljas Stirn, als sie sah, wie die Hand ihres Mannes vom Orden herabglitt. Sie kniete nieder und sah mit verzweifeltem Blick, dass im Mittelstück des Ordens ein Loch war. Rund um den Orden war alles voller Blut, und der schwarze Fleck breitete sich aus und wurde immer größer und größer …
„Genossen!“, schrie Polja. „Zu Hilfe! Genossen! Ist da irgendjemand?!“
Und schon schwieg sie wieder und presste die Hände vor den Mund, um ein Schluchzen, das sich ihr entringen wollte, zu unterdrücken, aber das Echo ihrer Worte war noch zu hören und hallte durch die nächtlichen Moskauer Straßen. In den Fenstern ging Licht an und jemand kam schon aus einem Eingangstor gelaufen und blickte suchend in die Nacht, nach demjenigen, der um Hilfe rief.
Die patrouillierenden Milizionäre ritten bereits auf ihren Pferden die Straße entlang, in der der tote Siljin lag.
* * *
„Nein, das war kein Held …“, dachte die Kugel verärgert und erhob sich über die riesige Stadt, die unter ihr heller und heller wurde und die wohl dachte, dass sie mit dem Licht ihrer Lampen irgendjemanden vor einem Unglück bewahren könne. Was für eine arme Stadt … Dieses Mal war es zu spät, und das inzwischen angekommene Rettungsauto musste gleich wieder abfahren. Dem Mann, der auf dem Gehsteig lag, war nicht mehr zu helfen.
** Maschinenpistole
Kapitel 9
An diesem Herbstmorgen verweilte die über dem Kreml aufgehende Sonne kurz über dem Erlösertor, wo der Leiter der staatlichen Motorradeskorte, NKWD -Hauptmann Blinow, dem leitenden Funktionär meldete, dass sie bereit wären. Die Sonne hielt ein wenig inne und kletterte dann gemächlich weiter über den weiten, und seinem Wesen nach bodenlosen Himmel. Und bei eben dieser Bewegung geriet einer ihrer Strahlen, der im rubinroten Stern des Erlöserturms gebrochen wurde, in die Augen des Hauptmanns Blinow und ließ ihn die Augen zusammenkneifen, was die Feierlichkeit seiner Meldung beeinträchtigte. Der leitende Funktionär, das war Viktor Stepanowitsch, schenkte dem Himmelskörper ein Lächeln und sagte:
„Verdammt hell scheint sie heute!“
Da hielt ein schwarzes Auto neben ihm, aus dem der immer noch schläfrige Pawel Aleksandrowitsch Dobrynin stieg und dabei seinen Reisesack mit der rechten Hand fest an sich gedrückt hielt. Er stieg aus, sah ebenfalls zur Sonne und danach auf die in einer Reihe stehenden Prachtstücke von Motorrädern. Er dachte an seine dienstliche Frau, die in der Dienstwohnung geblieben war, und erinnerte sich daran,
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