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Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Titel: Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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Kleingeld, das schon vor der Kolchosversammlung da drin gewesen war, und dieses Kleingeld reichte wohl für Zündhölzer, aber für mehr nicht. Und er dachte daran, Viktor Stepanowitsch nach der Ankunft am Flughafen nach Geld zu fragen, schließlich konnte man ohne Geld nicht leben und auch nicht arbeiten.
    Mittlerweile war der begehrte Feinkostladen hinter ihnen zurückgeblieben und Pawel tröstete sich mit dem Gedanken, dass er bei seinem nächsten Besuch unbedingt dort vorbeikommen und etwas kaufen würde.
    Weil er keine Uhr hatte, wusste der Volkskontrolleur nicht, wie viel Zeit dieser berittene und motorisierte Transfer in Anspruch nahm, aber sein Bauchgefühl, das ihn an die Notwendigkeit einer Mahlzeit erinnerte, sagte ihm, dass die Mittagszeit bereits vorüber war.
    Als die Prozession den Flughafen erreicht hatte, der im unbewohnten Teil der Hauptstadt lag, kehrte die Motorradeskorte um und fuhr zurück. Zum Abschied ließ sie die Motoren laut aufheulen.
    Der Volkskontrolleur sprang vom Pferd und trat zum Wagen, der vor ihm gehalten hatte. Etwa fünfzig Meter davon entfernt stand eine rot-weiß gestreifte Holzbude, auf deren Dach sich ein Windsack befand. Der Sack blähte sich einmal auf, dann fiel er wieder in sich zusammen, was bedeutete, dass die Bewegung der Luftmassen unbeständig war.
    Hinter der Bude war ein Flugzeug von mittlerer Größe zu sehen, und hinter dem Flugzeug gab es gar nichts mehr zu sehen. Ein breites Feld dehnte sich aus, grün und eben, ohne die geringste Erhebung.
    Sie gingen in die Bude und machten sich mit dem Piloten bekannt.
    Hierauf tranken sie Tee und aßen die extra für sie vorbereiteten Brote mit weicher Leber. Nach dem Tee fragte Pawel Viktor Stepanowitsch endlich nach Geld.
    „Mach dir keine Sorgen!“, antwortete ihm Viktor Stepanowitsch. „Hast du einen Volkskontrolleursausweis?“
    „Ja“, bestätigte Pawel.
    „Wenn du den hast, dann brauchst du kein Geld. Wenn du diesen Ausweis vorzeigst, dann ist man verpflichtet, dich zu verpflegen, dich mit Textilien und Konfektionskleidung zu versorgen sowie mit anderen Dingen, die du benötigst. Klar?“
    Der Volkskontrolleur nickte, nahm noch einen Schluck Tee und aß ein zweites Brötchen.
    „Wir haben angeordnet“, ergänzte Viktor Stepanowitsch, „dass man dich dort abholt und über alles in Kenntnis setzt.“
    Pawel nickte noch einmal.
    „Ich habe Radio gehört“, sagte der Pilot, während er kaute. „In Kiew wurde heute der erste O-Bus freigegeben …“
    „Er kommt nicht aus Kiew!“, sagte Viktor Stepanowitsch in schneidendem Ton.
    „Ach so …“, brummte der Pilot. „Also … können wir fliegen?“
    „Ihr könnt gleich losfliegen …“, sagte Viktor Stepanowitsch ganz in Gedanken versunken.
    Fünf Minuten später verließen sie die Bude. Das Pferd stand folgsam neben dem Automobil, aus dem ein gedämpftes Schnarchen des Chauffeurs drang. Man weckte den Chauffeur, und mit vereinten Kräften wurde das Pferd über eine dreistufige Leiter in den Frachtraum des Flugzeugs gehievt. Hierauf half der Pilot Pawel, sich eine enge Mütze über den Kopf zu ziehen, ließ ihn in der Kabine Platz nehmen und stieg nochmals aus, um die Propeller anzuwerfen. Er startete erst den linken und dann den rechten.
    Viktor Stepanowitsch trat zur Seite und winkte dem Volkskontrolleur noch einige Male zu. Pawel winkte zurück. Er war sehr aufgeregt, noch dazu fand das Dröhnen des Flugzeugs in seinem Magen einen unangenehmen Widerhall. Es machte ihm doch ein wenig Angst, das erste Mal in seinem Leben mit solch einer geflügelten Maschine zu fliegen. Doch es gab etwas, das den Volkskontrolleur beruhigte: der Gedanke an das große Vertrauen des Vaterlandes, das ihn auf diesen Flug schickte, und die Aussicht auf sein zukünftiges Leben, auf seine Arbeit sowie auf all das Wunderbare, das ihm unweigerlich unterwegs begegnen würde.
    Unerwartet setzte sich die Maschine mit einem Ruck in Bewegung, raste über das Feld und holperte dabei über unsichtbare Unebenheiten am Boden dahin. Pawel erschrak, denn es kam ihm vor, als wäre der Pilot hinter ihm zurückgeblieben, aber als er ihn an dem für ihn vorgesehenen Platz am Steuerrad entdeckte, beruhigte er sich, bekreuzigte sich in Gedanken und wurde ganz starr. Er wartete auf den Moment, in dem das Flugzeug sich von der Erde loslösen und in den blauen, wolkenlosen Himmel erheben würde.
    Nach einigen Augenblicken hob das Flugzeug tatsächlich ab und sein Dröhnen wurde schwächer. Es wiegte

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