Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Titel: Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
Vom Netzwerk:
noch einmal das Tischgedeck und schlug die Hände zusammen, während er sich betreten fragte: „Wo sind denn die Madeiragläser?!“
    Und dabei sah er Siljin an.
    „Die Damen werden doch Madeira trinken, und Sie – einen Wodka vielleicht? Zwei ‚Kubaner‘ und zwei ‚Perzowka‘? Ja?“
    „Ja!“ Parteisekretär Poliwanow tat erfreut einen tiefen Atemzug. „Es gehört sich doch, mit Wodka zu beginnen …“
    Der Oberkellner verschwand, erschien sogleich wieder mit einem Tablett und stellte offene Karaffen auf den Tisch – eine aus blauem Glas, die andere aus Kristall.
    „In der blauen ist ‚Kubaner‘, und hier der ‚Perzowka‘“, erklärte er und stellte, ohne einen Blick darauf zu verwenden, das leere Tablett auf dem seitlich stehenden Beistelltischchen ab. Schon erschien in seinen Händen eine Flasche Madeira und mit geschmeidiger Geste, in einer ausgeklügelten Verrenkung des Arms mitsamt der Flasche, füllte er die Aperitifgläser der Damen, dann schenkte er den Herren Wodka ein – jedem das, was er wünschte. Hierauf verschwand er wieder.
    „Also, Kandidat“, begann Beketow und erhob sein Glas. „Auf deinen Wahlsieg! Mögest du uns im Obersten Sowjet vertreten!“
    Sie stießen freundschaftlich miteinander an, tranken aus und sahen sich suchend nach der Vorspeise um.
    „Hier, es ist schon alles da …“, geschwätzig beantwortete der Oberkellner die stumme Frage in den Augen seiner Gäste und stellte ein Tablett mit kleinen Tellern, Salaten sowie kleinen Schälchen mit Oliven auf den Tisch.
    Ohne eine Atempause nach dem Wodka einzulegen, machten sich die Gäste über die Vorspeisen her, verschlangen mit Appetit den Kartoffelsalat und freuten sich besonders, wenn sie darin ein Stückchen Krabbe erwischten.
    Es entspann sich ein Gespräch, das von Zeit zu Zeit zu dem Kandidaten Siljin zurückkehrte, wonach jedes Mal die Gläser aufs Neue gefüllt wurden. Aber die Toasts berührten inzwischen nicht mehr das eigentliche Thema, sondern wurden immer abwechslungsreicher.
    „Kürzlich habe ich daran gedacht, wie wir zusammengearbeitet haben“, begann Beketow und sah ernst in die Augen von Grigorij Markelowitsch. „Du erinnerst dich doch, Grischa … Weißt du noch, jener Unfall?“
    Siljin wurde bekümmert. An diesem ruhmreichen Tag wollte er nicht an die schwierigen Arbeitstage in der Vergangenheit denken. Natürlich erinnerte er sich an jenen Unfall. Damals brannte in einer Kammer ein Pfosten durch, aus dem heiße Luft entwich. Danach gab es einen Einsturz. Wie viel Mühe und Nerven hatte das gekostet, nur Siljins richtige Entscheidung und die Unterstützung durch den Werksleiter Korolew hatten die Lage gerettet. Beketow war damals der Parteisekretär des Werks gewesen und hatte die volle Unterstützung des Parteikomitees versprochen – er vertraute ebenfalls Siljins Idee, die Kammer voll heißer Luft abzusperren und sie für einige Stunden mit Wasser zu füllen, um sie, sobald sie abgekühlt war, im laufenden Betrieb, wie man sagte, zu reparieren. Ja, dachte Siljin, das waren schwierige Zeiten …
    Die Suppen wurden gebracht. Das Gespräch verstummte. Auf der Bühne erschien ein kleines Orchester – fünf Personen. Das Restaurant füllte sich allmählich mit Besuchern. Gesprächsfetzen hingen in der Luft und bereicherten die Atmosphäre des Abends mit Freude und Leid von irgendwelchen Menschen. Gleich hinter den Palmen feierte eine Gruppe von Konditormeistern mit ihren Familien das Jubiläum ihrer Fabrik. Immerzu erwähnten sie Fachbegriffe, und Polja, die mit dem Rücken zu ihnen saß, schien es, als schmeckte sowohl die Luft, die sie atmete, als auch die Kartoffelsuppe mit Stör, die sie aß, ein wenig süßlich, so als ob ringsum alles unmerklich von einer Schicht feinster Vanille überzogen wäre.
    Die ewige Verlobte Poliwanowa, die Lehrerin an einer Abendschule war, drehte, während sie Suppe aß, ihren Kopf einmal nach links, einmal nach rechts ins Halbprofil, da sie auf diese Art ihren Tischnachbarn die neuen Goldohrringe mit den tropfenförmigen Rubinen zeigen wollte. Das ärgerte Polja ein wenig, aber sie ließ sich nichts anmerken und tat sogar so, als ob sie Sonjetschkas Ohrringe gar nicht bemerken würde.
    Wieder erschien der Oberkellner, füllte höchstpersönlich die Gläser, beugte sich dann zu Siljin hinunter und flüsterte:
    „Entschuldigen Sie vielmals, war das Ihr Bild, das gestern in der ‚Prawda‘ abgedruckt war? Eine Kellnerin hatte die Zeitung in der Arbeit mit

Weitere Kostenlose Bücher