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Der Wald des Vergessens

Der Wald des Vergessens

Titel: Der Wald des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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war schon außer Hörweite.
    Rennend verließ er das Haus, doch als er das Auto rückwärts aus der Garage fuhr, hatte sie ihn eingeholt.
    »Aber es hat sich gelohnt«, murmelte sie und neigte sich zu ihm, um ihm einen Kuß durchs Fenster zu geben. Und dann machte sie alles zunichte durch ihren zweifelnden Nachsatz: »Zumindest glaube ich … egal, wahrscheinlich fällt es mir später wieder ein.«
    Auf dem Weg in die Stadt, auf dem er viel zu schnell fuhr, ertappte er sich, daß er wie ein kleiner Junge, der zu spät kommt, Entschuldigungen übte. Vielleicht hätte ich ja Rosie darum bitten sollen, mir einen Zettel zu schreiben! verspottete er sich selbst. Sag dem alten Fettarsch doch einfach die Wahrheit. Und die wäre? Ich hab verpennt. Warum? Weil ich zu gut geschlafen habe. Und auch, weil ich zu schlecht geschlafen habe. Was denn nun? Beides. Wie kommt das? Ich hab gut geschlafen, weil wir uns einen hinter die Binde gekippt haben und bis zur Erschöpfung … Und ich habe schlecht geschlafen, weil mir diese Made im Kopf sitzt wie eine der Maden, die da draußen von den zigtausend Leichen fett wurden, eine der Maden, die im Ypernbogen herumkrochen, wo sich nun fremde Felder erstrecken, Kompost und Knochenmehl, längst untergepflügt, Saatbeet für die grünen Schößlinge, die sich zur Sonne recken, Weiden für Vieh, die schließlich die Berge an Überschuß hervorbrachten, wegen deren die EU zur allgemeinen Zielscheibe des Spotts und der Verwunderung wurde.
    Nein, dann doch lieber Rosies Entschuldigungszettel als diese zusammenhangslose Wahrheit. Lieber Mr. Dalziel, mein Papa kommt zu spät, weil er und Mama gestern abend gesoffen haben. Ich werde mich bemühen, daß es nicht wieder vorkommt.
    Sein Funkgerät knatterte. Die Zentrale, was in diesem Fall Dalziel bedeutete, wollte seinen Standort wissen. Er näherte sich gerade einem Kreisel. Geradeaus würde ihn in etwa fünfzehn Minuten an seinen Schreibtisch bringen. Fuhr er rechts ab und auf die Ringstraße, wäre er in ungefähr derselben Zeit in der Nähe von Wanwood House.
    Ein Ratschlag aus seinen Tagen als junger Kripobeamter kam ihm in den Sinn.
Komm nie zu spät, sei immer woanders.
Könnte sogar vom Dicken selbst stammen. Er fuhr in den Kreisel.
    In sein Mikrophon sagte er: »Standort Wanwood House, Fortsetzung der gestrigen Erkundigungen in ALBAS Hauptverwaltung.«
    Was er bei seiner Ankunft in Wanwood machen würde – er hatte keine Ahnung. Für einen erwachsenen Kriminalbeamten legte er ein reichlich absurdes Pennälerverhalten an den Tag. Aber wenn man an all die Jungs dachte, die sich 1914 zu Tode gelogen hatten, mußte ja vielleicht das Gleichgewicht wiederhergestellt werden, und jede Handlung reifer Kindlichkeit war ein winziges Meißeln am höchsten Berg europäischer Verschwendung, an dem Everest vergeudeter Jugend.
    Vielleicht. Oder er folgte einfach einem breit ausgetretenen Pfad in die männliche Midlife-Crisis.
    Wie dem auch sei, er wäre gut beraten, sich einen Grund auszudenken, warum er Wanwood House aufsuchte, oder die Krise würde ihn dieses Jahr ein wenig zu früh heimsuchen.

Drei
    G ewöhnlich kam Wield gut klar mit Frauen. Hatten sie erst einmal die Doppelhürde seines Aussehens und seines Berufs genommen, empfanden sie seine Gegenwart als so wenig bedrohlich, daß selbst die nervösesten locker wurden. Allerdings gelang es nur Frauen mit großer Menschenkenntnis, wie etwa Ellie Pascoe, durch Gesicht und Job hindurch ins Innerste seines Geheimnisses vorzudringen und zu erkennen, daß die Ursache für ihre Entspanntheit seine Homosexualität war. Manchmal ist jedoch gerade unter Gleichgesinnten ein unterschwelliger Antagonismus vorhanden, und so zeigte sich nach wenigen Minuten, daß Wield aus den beiden ersten Frauen von ANIMA , die er befragte, Meg Jenkins und Donna Linsey, die neben einem Tierladen auch ihr Leben gemeinsam führten, nicht viel herausbekommen würde. Er traute ihnen zu, daß sie ihm noch nicht einmal einen Goldfisch verkauft hätten, und war froh, als er ihren moschusmuffigen Laden hinter sich lassen konnte.
    Die nächsten drei gingen sehr viel mehr aus sich heraus, aber alles, was es brachte, war, daß sie übereinstimmend aussagten, es sei ihnen ein Rätsel, was Wendy Walker außerhalb der Gruppe mache. Das war für sich gesehen nicht uninteressant, denn es bedurfte einer Willenskraft, die nur die wirklich Entschlossenen aufbrachten, um als Mitglied einer Frauenvereinigung in Yorkshire sich von niemandem in

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