Der Wald - ein Nachruf
Rückgang der Fraßschäden festzustellen ist, dann kann man von mindestens 40 bis 50 Tieren pro Quadratkilometer ausgehen. Und das in der rauen Eifel, die nicht gerade für üppige Vegetation und damit günstige Nahrungsverhältnisse für Pflanzenfresser bekannt ist.
In den meisten Gegenden Deutschlands, Österreichs und der Schweiz wird viel weniger geschossen, die Wilddichten sind aber mit Sicherheit ähnlich hoch wie in Hümmel. Wenn weniger Tiere erlegt als geboren werden, dann müsste der Bestand explodieren und der Wald irgendwann förmlich überquellen. Das ist jedoch nicht zu beobachten, was bedeutet, dass sich die Zahl von allein auf einem hohen Niveau eingependelt hat. Anders ausgedrückt, die Jäger schießen weniger Tiere, als ohnehin verenden würden. Solange sich das nicht ändert, ist die Jagd absolut unnötig, ganz im Gegenteil: Würde man die Jäger entwaffnen, könnten sich Wolf und Luchs viel rascher ausbreiten, deren Wirken für den Wald sicherlich ein Segen wäre.
Eine Berechtigung hätte Jagd aber weiterhin, nämlich die Abschreckung allzu aufdringlicher Waldbewohner. Bei Konflikten gerade im Randbereich der Städte sollte es erlaubt sein, zahme Wildtiere, die gefährlich werden können, zu schießen. Damit würden die Arten eine gewisse Scheu behalten und auf Abstand zu Siedlungen bleiben. Allerdings würde sich so der »Serengetieffekt« kaum einstellen, blieben Beobachtungen erschwert. Ob solche Maßnahmen notwendig würden, hinge davon ab, wie viel Toleranz jeder von uns Wildtieren entgegenbringen würde.
Eine solche Jagdreform werden wir alle wohl nicht erleben. Aber wenn man die Jagd schon nicht abschafft, sollte man sie dann nicht wenigstens professionalisieren? Denn stellen Sie sich vor, bei Ihnen stünde eine schwere Operation an. Eine Niere muss entfernt werden und Sie liegen bereits fertig hergerichtet auf dem OP-Tisch. Da sehen Sie Ihren operierenden Arzt. Es ist Ihr Nachbar, von dem Sie genau wissen, dass er Chef eines Autohauses ist. Darauf angesprochen, ob er Sie heute operieren würde, antwortet er: »Aber sicher. Und keine Sorge! Ich habe einige Wo chenendkurse bei einem Metzger gemacht und zudem schon einem Arzt über die Schulter geschaut.«
Und so ähnlich geht es draußen in Wald und Flur zu. Es sind lauter Hobbyschützen, die da mit Kugeln und Schrot durch die Gegend schießen. Zwar muss vor dem Griff zur Waffe der Jagdschein gemacht werden, doch kann man diesen mittlerweile nach einem dreiwöchigen Kurs erwerben, und der Ausweis gilt danach lebenslang. Selbst Senioren, die kaum noch auf den Hochsitz kommen, legen mit zitternden Fingern auf Hirsche oder Wildschweine an. Wundert es da, wenn es regelmäßig zu tödlichen Jagdunfällen kommt? Je nachdem, ob man den Zahlen der Jagdverbände, der Jagdgegner oder der statistischen Ämter glaubt, sind es im deutschsprachigen Raum jährlich bis zu acht Menschen, die ihr Leben auf diese Weise aushauchen. 23 Eine der gefährlichsten Tätigkeiten überhaupt, das Hantieren mit Schusswaffen in einer der am dichtesten besiedelten Regionen der Welt, wird von einem Heer von Laien ausgeübt. In Deutschland, Österreich und der Schweiz pirschen rund eine halbe Million Freizeitjäger durchs Unterholz. Muss das sein? Wäre es nicht besser, dieses Geschäft Profis zu übertragen? Denn wenn die Wildbestände reguliert werden müssen oder aufdringliche Raubtiere in Schach zu halten sind, würde ich scharfe Gewehre lieber in den Händen von Berufsjägern sehen. Zumindest aber sollten sie es sein, die den Jagdbetrieb regeln und den Laien auf die Finger schauen. Mit der Verstaatlichung dieser Aufgabe würden auch gleich alte Zöpfe abgeschnitten. Wildfütterung, Bestechung, Anpöbeleien – das würde zusammen mit den Hobbyschützen verschwinden.
Eine andere Möglichkeit wäre die Rückkehr zur Bürgerjagd, wie sie 1848 eingeführt wurde. In Hümmel sind wir zumindest auf einer Teilfläche des Gemeindewaldes diesen Weg gegangen. Der Pachtvertrag des bisherigen Jägers wurde nicht verlängert und nun jagen die Einwohner dort selber. »Bricht jetzt der Wilde Westen aus?«, werde ich häufig gefragt und das wundert mich. Denn illegale Zustände sind ja fast schon ein Markenzeichen traditioneller Jagd. Wir dagegen sind bestrebt, gesetzliche Anforderungen umzu setzen. Dazu werden Rehe, Hirsche und Wildschweine im Rahmen der behördlichen Freigaben gejagt, um die Bestände abzusenken, die in den Nachbarjagdrevieren herangezüchtet werden. Unser Ziel
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