Der Wald - ein Nachruf
diesem Fall einem ganz anderen Zweck, denn er lässt sich prima für Stimmungskampagnen gebrauchen. Um sein Gewicht und damit seine Wirkung zu vergrößern, wird der Cluster »Forst und Holz« sehr großzügig definiert und umfasst nicht nur Forstverwaltungen und Holzindustrie. Auf den Internetseiten des Waldzentrums der Universität Münster können Sie nachlesen, was die Branche alles unter dem Begriff subsumiert. 29 Da werden nicht nur Transportunternehmen und Zulieferer, sondern auch die Möbel- und Papierindustrie sowie Druckereien und Verlage hinzugerechnet. Als ob das nicht reichte, zählen die Forscher auch noch rund zwei Millionen Waldbesitzer hinzu, von denen viele nicht einmal wissen, wo ihre Parzellen überhaupt liegen.
In der Summe ergibt das eine geballte Wirtschaftsmacht. Das Waldzentrum zählt 185 000 Betriebe auf, die 181 Milliarden Euro Umsatz mit über 1,3 Millionen Beschäftigten erwirtschaften. 30 Diese Zahlen werden von den staatlichen Forstverwaltungen nur zu gern übernommen, denn Holz und seine Verarbeitung sind so gerechnet wichtiger als alle anderen Industriezweige einschließlich der Automobilindustrie.
Und diesem volkswirtschaftlich entscheidenden Zweig will eine Nationalparkinitiative das Wasser bzw. das Holz abdrehen? Damit jedem bewusst wird, was das genau bedeutet, werden die gerade genannten Zahlen in Beschäftigungsverhältnisse umgerechnet. Das Einschlagpotenzial Deutschlands liegt bei rund 80 Millionen Kubikmetern. 31 Pro 100 Kubikmeter eingeschlagenem Holz ergeben sich dann 1,7 Arbeitsplätze. Diese Menge kann jährlich auf 0,1 Quadratkilometer Waldfläche erzeugt werden. Gehen wir davon aus, dass ein geplanter Nationalpark 100 Quadratkilometer Fläche umfassen soll, so werden durch dessen Ausweisung laut dieser Kalkulation 1 700 Menschen arbeitslos.
Es entstehen natürlich auch neue Beschäftigungsmöglichkeiten. Ranger, Wanderführer oder touristische Mitarbeiter – Arbeit gibt es in Hülle und Fülle. Doch ist sie schwer zu beziffern. Denn gingen nicht auch vor der Unterschutzstellung Urlauber wandern, aßen nicht ebenfalls Touristen in den örtlichen Restaurants? Und diese Umsätze gab es trotz oder wegen der nachhaltigen Forstwirtschaft. Sie sehen, es ist sehr schwer, das argumentative Dickicht zu durchdringen.
Um die klagenden Förster mit ins Boot zu holen, sollen sie beteiligt werden. Dazu werden ihre Waldarbeiter zu Rangern umgeschult und sie selber behalten ihre Reviere im Nationalpark. Damit räumen Politiker zwar Widerstände aus dem Weg, aber ob damit dem Wald ein Gefallen getan wird, möchte ich bezweifeln.
Ein Nationalpark ist die strengste Schutzkategorie unter den großflächigen Reservaten. Hier soll die Natur die Regie übernehmen, während sich der Mensch zurücknimmt und in die Rolle des bloßen Beobachters schlüpft. Das Zauberwort heißt Prozess schutz. Im Gegensatz zum normalen Naturschutzgebiet wird nicht eine bestimmte Landschaftsform, werden nicht bestimmte Arten erhalten und gepflegt, sondern der Erhalt der natürlichen Abläufe steht im Mittelpunkt. In der Praxis bedeutet dies den Verzicht auf jegliche Form der Einflussnahme und, was für amtliche Schützer noch viel schwerer zu ertragen ist, einen offenen Ausgang der Entwicklung. Ob sich das Gebiet tatsächlich in einen Urwald verwandelt, welche Baumarten dort Fuß fassen werden, das weiß keiner so genau. Dies ist das Spannende an Nationalparks und macht sie für Wissenschaftler interessant. Das Konzept wird bestens umgesetzt, etwa in Brasilien, Südafrika oder Kanada. Dortige Wälder und Savannen werden großflächig in Ruhe gelassen und die Tiere und Pflanzen vom Menschen nicht belästigt, mit Ausnahme von gelegentlichen Safaris. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, nur leider nicht bei uns.
Hier legt man die heimischen Parks rigoros an die Kette. Damit trotzdem formal alles seine Richtigkeit hat, nennt man sie kurzerhand Zielnationalparks. 32 Und nun beginnt die Wortklauberei. Ziel bedeutet, dass man noch nicht dort ist, wo man hinwill. Also gibt es einen Weg, den man verfolgen muss, um es eines fernen Tages zu erreichen. Der Fahrplan sieht dafür 30 Jahre vor, in denen die Mitarbeiter noch gestalten dürfen. Und diese Mitarbeiter sind nun leider keine Biologen oder andere ausgebildete Naturschützer, sondern Förster und Waldarbeiter und gehören damit zu der Gruppe, vor denen der Wald zukünftig eigentlich geschützt werden sollte. Das ist in etwa so, als würde man Metzger mit der
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