Der Wald - ein Nachruf
weil es hier vielleicht doch noch ein wenig beschaulicher zugeht. Wie lange das noch so ist, werden uns die majestätischen Vögel mit ihrer Anwesenheit signalisieren.
Um störungsempfindliche Arten auf Dauer bei uns zu halten, führt kein Weg an echten Schutzgebieten vorbei. Echt, das bedeutet: ohne jegliche Einflussnahme durch uns Menschen. Und echt heißt auch: groß genug.
Die Größe von Schutzgebieten
Hier in Mitteleuropa ist uns jedes Maß für natürliche Verhältnisse abhandengekommen. Ursprünglich hatten unsere steinzeitlichen Vorfahren pro Person mehrere Quadratkilometer Platz um sich herum. Früchte sammeln, Tiere erbeuten, Hütten bauen und Feuer machen, das verlangte der Umwelt einiges ab. Und damit das Füllhorn der Natur nicht versiegte, konnte nur eine begrenzte Anzahl Menschen in den Wäldern existieren. Heute sind es Hunderte unserer Art, die sich mit ihresgleichen einen einzigen Quadratkilometer teilen. Wohnhäuser, Fabriken, Autobahnen, Äcker und Wälder, alles muss auf diese Fläche passen. Uns macht das nicht viel aus, denn wir sind es nicht anders gewohnt. Ländliche Verhältnisse wie bei mir in Hümmel, wo nur 30 Menschen auf den Quadratkilometer kommen, scheinen uns leer und einsam. Und diese Einstellung liegt leider auch der Festlegung der Schutzgebietsgröße zugrunde.
Einer der größeren Nationalparks in Deutschland ist der Baye rische Wald, der rund 250 Quadratkilometer umfasst. Für mensch liche Verhältnisse ist das eine riesige Fläche, für die Tiere aber nur ein kleines Gebiet. Denn für sie herrschen quasi immer noch steinzeitliche Verhältnisse, sodass ihre Besiedlungsdichte von den Umweltbedingungen abhängt. Und weil diese im Verlauf der Monate und Jahre stark schwanken und es mal mehr, mal weniger zu fressen gibt, müssen die Reviere sicherheitshalber sehr groß sein. Das wird deutlich, wenn man sich den Flächenbedarf einiger Beispielarten ansieht. Spechte benötigen nur Waldareale von etwa 0,1 bis einen Quadratkilometer, für den Schwarzstorch muss es schon erheblich mehr sein. Die relativ kleine Wildkatze, die sich überwiegend von Mäusen ernährt, beansprucht pro Tier immerhin drei bis sieben Quadratkilometer. Für den Luchs müssen es mehr als 50 sein und ein Wolfsrudel ist unter 200 Quadratkilometern nicht zu haben.
Um eine stabile Population zu erhalten, in der es nicht zur Inzucht kommt, sollten es schon einige Hundert Tiere sein, die sich in einem Lebensraum tummeln. Zwar kommt es unter den Artgenossen zu Überschneidungen der Reviergrenzen, sodass etwas mehr Exemplare in einem Gebiet leben, dennoch kann man die genannten Flächengrößen als groben Anhaltspunkt mindestens mit dem Faktor 100 multiplizieren. Will man beispielsweise den Luchs wieder heimisch machen, so muss man ihm 5 000 Quadratkilometer und mehr zur Verfügung stellen. Und jetzt wird auch klar, warum der so groß scheinende Nationalpark Bayerischer Wald viel zu klein für echten Artenschutz ist. Selbst der größte Nationalpark der Alpen, die österreichischen Hohen Tauern, reichen mit 1 815 Quadratkilometern nicht aus. Denn hier wird noch ein weiteres Phänomen sichtbar: Große Flächen werden nur dort geschützt, wo der Mensch kaum wirtschaften kann. Die Hochlagen der Berge mit ihren schroffen Hängen und Geröllfeldern lassen sich großzügig der Natur schenken. Schade nur, dass der geringe Nutzen auch für die Tiere gilt. Wo kaum etwas wächst, wo die Sommer eiskalt und die Winter endlos lang sind, gibt es für Luchse wenig zu fressen. Pflanzen und mit ihnen die Pflanzenfresser leben eben zumeist lieber in wärmeren Lagen, also weiter talwärts. Dort aber haben schon die Landwirte ihr Terrain abgesteckt. Was wir wirklich bräuchten, wären große Schutzgebiete im Mittelgebirge oder im Flachland. Dort wollen wir aber nicht auf Äcker und Forste verzichten, nur damit ein paar wilde Tiere einen Lebensraum finden.
Es gibt noch einen anderen Ansatz, sich der erforderlichen Größe von Schutzgebieten zu nähern. Was bei uns zu Hause gilt, sollte meiner Meinung nach auch in den Tropen angestrebt werden und umgekehrt. Für Deutschland gibt es beispielsweise das Fünfprozentziel. 2007 beschloss die Bundesregierung, bis 2020 Wälder in dieser Größenordnung stillzulegen, dort also die Forstwirtschaft zu untersagen. Streng genommen müsste es anders formuliert werden, da nur ein knappes Drittel der Bundesrepublik bewaldet ist, wodurch aus den 5 nur 1,6 Prozent der Gesamtfläche werden.
Aber
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