Der Wald - ein Nachruf
Turmbauteile sind wahre Schwergewichte und lassen das Gewicht der Transportfahrzeuge auf über 100 Tonnen ansteigen, wie ich im Verlauf einer Dienstbesprechung erfuhr. Da müssen dann regelrechte Waldautobahnen gebaut werden, um alles termingerecht an Ort und Stelle zu bekommen. Viele abgelegene Forste wachen so abrupt aus ihrem Dornröschenschlaf auf und mit ihnen ihre Bewohner.
Die Sorgen der Ratsmitglieder waren also zerstreut worden: Hohe Einnahmen, kaum Eingriffe in die Landschaft, da musste man doch zugreifen! Und das Risiko? Welches Risiko? Darüber sprachen die beiden Herren nicht, und es wurde auch nicht nach gefragt. Nur wer genau hinhörte, erfuhr quasi zwischen den Zeilen, wie das Projekt abgewickelt werden sollte. Planen und bauen, das würden sie erledigen. Den Betrieb könne dann eine Betreibergesellschaft übernehmen, schließlich solle die Bevölkerung profitieren und ein Bürgerwindpark entstehen. Sie selber wollten sich um die Wartung der Anlagen kümmern, denn dafür seien sie die Fachleute und, wie erwähnt, der Heimat besonders verbunden. Sie würden so als Ansprechpartner weiter vor Ort verfügbar sein.
Ein Rechtsanwalt, der sich mit dieser Materie intensiv beschäftigt, hat mir auf einer Tagung verraten, dass viele Projektierer ihr Geld mit dem bloßen Bau der Windräder verdienen. Der Betrieb hingegen sei ihnen relativ egal. Ihre Gewinnspanne realisierten sie aus Preisnachlässen beim Kauf der Windräder vom Hersteller, denn der Betreibergesellschaft würden die vollen Kosten in Rechnung gestellt. Mit dem Betriebsrisiko hätten sie nichts zu tun und die Wartung ließen sie sich gut entlohnen.
Für die neuen Eigentümer der Anlagen sieht die Sache anders aus. Bläst der Wind nicht so, wie vorhergesagt, was in den letzten Jahren häufiger der Fall war, gibt es weniger Strom und damit geringere Einnahmen. Da kann die Kalkulation schnell aus dem Ruder laufen, worüber schon etliche Gesellschaften gestolpert sind. Mit der Insolvenz versiegen auch die stolzen Gewinne der Kommunen und am Ende lachen nur die Initiatoren. Gleiches gilt übrigens für den Staatswald. Denn die Forstverwaltungen greifen dankbar jede Gelegenheit auf, ihre Finanzsituation zu verbessern. Wo jeder Waldbesucher, der unbefugt einen Weg mit einem Moped befährt, kostenpflichtig verwarnt wird, spielen Großeingriffe mit dauerhafter Störung des Lebensraums scheinbar keine Rolle – Hauptsache, die Kasse klingelt.
Ich bin nicht gegen Windenergie. Sie kann sicher einen Beitrag zur Stromproduktion liefern. Aber warum stellt man die Räder nicht an Autobahnen, entlang der Schienenwege, in Industriegebieten oder neben Stromtrassen auf? Überall dort, wo es fern von Siedlungen bereits erhebliche landschaftliche Beeinträchtigungen gibt, würden die Rotoren wenig stören. Denn eines wird über die Schönfärberei, diese Bauwerke seien ein Zeichen für den Umwelt schutz, gern vergessen: Es handelt sich um große Industrieanlagen mit all ihren Auswirkungen auf die Umgebung. Wer möchte schon ein Gewerbegebiet neben seinem Einfamilienhaus haben, wer eine Schnellstraße oder eine Müllverbrennungsanlage? Ich finde die schnellen, unbürokratischen Genehmigungsverfahren befremdlich und wünschte mir, diese Energieparks würden genauso sorgfältig geprüft wie jedes andere Bauvorhaben.
Noch lieber wäre es mir allerdings, wir würden einer Beispielrechnung des Umweltbundesamts folgen. Dieses rechnete 2009 aus, dass wir bis 2015 110 Milliarden Kilowattstunden Strom eingespart hätten, wenn wir alle wirtschaftlich sinnvollen Sparpotenziale ausschöpfen würden. Das entspricht einer installierten Kraftwerksleistung von 21 Gigawatt oder 7 000 modernen Windkraftanlagen, die dann überflüssig wären. 55
Für mich ist all das neben den Sorgen um den Wald ein faszinierendes Schauspiel. Sobald mit Geldbündeln gewedelt wird, verhalten sich Behörden und Politiker wie Einwohner einer Bananenrepublik. Naturschutz, Einwände der Bevölkerung, Nachhaltigkeit? Egal, Hauptsache, die öffentlichen Kassen können davon profitieren und das eine oder andere Haushaltsloch kann gestopft werden. Würden alle ihre Wälder ökologisch bewirtschaften und wiesen ihre Jagdpächter in die Schranken, so könnten sie aus der Forstwirtschaft ähnlich hohe Gewinne einstreichen wie mit der Windenergie. Aber dieser Weg ist viel anstrengender und mit mehr Ärger verbunden. Schade.
Energie aus Holz
Die weitaus größere Gefahr für den Wald geht von der Holznutzung
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