Der Wald - ein Nachruf
Freude über jede Umdrehung der Rotoren wandeln.
Die anwesenden Gemeinderäte wurden mit hohen Prämien geködert. Pro Windrad und Jahr werde ein Betrag von 30 000 Euro gezahlt, da musste so mancher der Anwesenden schlucken. Die meisten Kommunen sind praktisch pleite und können sich noch nicht einmal 400 Euro für die Bepflanzung ihrer Blumenbeete leisten. Wenn man nun mehrere Windräder auf Gemeindegrund errichten ließ, wären die Finanzen saniert.
Der Köder war gelegt und von einigen sogar schon geschluckt. Mir als unbeteiligtem Beobachter drehte sich allerdings der Magen um. 30 000 Euro? Ich wusste von anderen Standorten, bei denen mehr als das Doppelte gezahlt wurde. Muss man so etwas nicht ausschreiben, um Höchstgebote zu erzielen? Egal, es herrschte eine Stimmung wie bei einer Rheumadeckenveranstaltung. Die Vergütung sei nicht verhandelbar, denn es handele sich um den Betrag, den jede Firma zahle.
Ein Finger hob sich. Ob man die Windräder vom Dorf aus sehen könne, ob sie den Blick verstellten, wollte eine Rothaarige wissen. »Nein, natürlich nicht!«, beeilte sich der sympathische Geschäftsmann zu versichern. Die geplante Anlage erstrecke sich über einen Höhenkamm, der zwar im Gemeindewald liege, sich jedoch an der Grenze zum Nachbardorf befinde. Spätestens jetzt hätten eigentlich die Alarmglocken schrillen müssen. Denn diese Methode ist nichts weiter als ein Taschenspielertrick. Die Antwort war keine Lüge, hätte aber korrekterweise lauten müssen: »Die eigenen Anlagen können Sie nicht sehen. Die der anderen Gemein den aber sehr wohl.« Denn diese planen natürlich dasselbe, also einen Windpark, der Geld abwirft, aber möglichst weit weg von den Häusern stehen soll. Wenn jeder auf die Grenze baut, dann schaut niemand auf die eigenen, sondern nur auf fremde Räder. Die Landschaft ist anschließend völlig verbaut, weil man sich untereinander nicht abgesprochen hat. Ganz dumm aus der Wäsche werden all die Kommunen schauen, die Windkraft ablehnen und an den Grenzen dennoch eine Anlage nach der anderen sehen.
Damit ist der Ärger vorprogrammiert, aber es gibt bereits Ansätze, das zu verhindern. So könnten die Verwaltungen Gebiete für Windparks ausweisen, von denen jede Gemeinde, die optisch oder durch Bebauung betroffen ist, Zahlungen erhält. Diese kön nten im Verhältnis zur Entfernung der Orte von den Windrädern gestaffelt sein – je näher dran, desto mehr »Schmerzensgeld« fließt in die öffentlichen Kassen.
Durch das aggressive Vorgehen der Planer läuft für solche Lösungen jedoch die Zeit ab, denn wenn das erste Dorf eine Anlage errichtet hat, von der es nichts an andere abzugeben braucht, denkt jeder nur noch an sich selbst. Und mit dem ersten Präzedenzfall müssen die Behörden dann jeden weiteren Einzelfall genehmigen, eine Gemeinschaftslösung wäre damit hinfällig. Verlierer dieses Wettlaufs ist der Wald, der völlig unkoordiniert zugebaut wird. Aber gibt es überhaupt größere Schäden zwischen den Bäumen? Auch hier wussten die beiden Herren zu beschwich tigen. Lediglich rund 5 000 Quadratmeter Fläche gingen dauerhaft verloren, das sei doch wirklich nicht viel. Sie verschwiegen, dass zum Aufbau der 200-Meter-Ungetüme die doppelte bis dreifache Fläche abgeholzt werden muss, damit große Kräne die Türme aufstellen können. Und das ist noch nicht alles. Normale, etwa fünf Meter breite Waldstraßen reichen nicht aus, damit die Transportfahrzeuge die Anlage zum Standort bringen können. Ein einziges Rotorblatt ist länger als 50 Meter, hinzu kommen Fahrerkabine und Aufbauten. Dieser Lindwurm will um die engen Windungen schmaler Wege gebracht werden, deren Radius viel zu klein ist. Soll es richtig vorwärtsgehen, so müssen Planierraupen die Trasse auf zehn Meter verbreitern und die Kurven entsprechend ausbauen. Da kommen schnell noch einmal einige Hektar an Fläche zusammen, auf denen Bäume für immer weichen müssen. In den seltensten Fällen sind Forststraßen bereits breit genug und die Kurven ausladend und weit. Baumaßnahmen sind trotzdem auch hier erforderlich, weil schon die normalen Lkw der Holzabfuhr schwere Schäden verursachen.
Die meisten Waldwege gehen noch auf Zeiten zurück, in denen Pferde das Holz hinaustransportiert haben. Gerade bei nassem Wetter wird die gesamte Fahrbahn bei der Überfahrt zerdrückt und sorgt für Unmut bei Wanderfreunden und Radfahrern. Mit dem Antransport der Windräder steigt die Belastung um das Zweieinhalbfache. Die
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