Der Wald: Roman
so die schmerzhafte Berührung des Wassers vermeiden. »Gott«, keuchte sie. Sie wandte sich um. »Ich gebe dir die ersten drei. Den letzten nehme ich selbst.«
»Gut.«
»Danach bewegen wir unsere Ärsche rüber zum Feuer.«
»Ich bin dabei.«
»Los geht’s!«, rief sie den anderen zu.
Nick stand am Rand des Sees und schwenkte das Beil über dem Kopf. Benny, dicht neben ihm, leuchtete ihr mit der Taschenlampe ins Gesicht. Das grelle Licht schmerzte in den Augen. Sie wich dem Strahl aus und murmelte: »Vielen Dank auch.«
Dann watete sie weiter hinaus. Das eisige Wasser durchnässte den BH, wogte über ihre Schultern. Sie wandte sich nach rechts und begann zu suchen. Durch den Auftrieb berührten ihre Füße kaum die glitschigen Steine am Grund. Sie machte langsame große Schritte und fuhr mit den Armen durchs Wasser, um besser voranzukommen.
Ihre Zehen stießen gegen etwas, das sich nicht wie ein Stein anfühlte. Sie untersuchte es mit dem Fuß. Es war ein Rucksack. »Ich hab einen«, sagte sie.
Karen, die in ein paar Metern Entfernung im hüfttiefen Wasser wartete, nickte und klemmte sich das Messer wieder zwischen die Zähne. Julie atmete tief ein und tauchte. Sie ließ die Augen offen, sah aber nur Schwärze, während sie den Rucksack umklammerte, die Füße auf die glatten Steine stellte und anhob. Der Rucksack fühlte sich nahezu schwerelos an.
Sie tauchte auf und schnappte nach Luft. Mit dem Rucksack in den Armen ging sie wie in Zeitlupe ein paar Schritte auf Karen zu. Karen nahm ihr die Last ab und watete damit aufs Ufer zu.
Julie kehrte um. Sie schwamm ein paar Züge, ließ die Beine absinken und suchte weiter mit den Füßen den Grund ab. Währenddessen warf sie einen Blick zurück. Karen war am Ufer, bückte sich und legte den Rucksack ab.
Mit den Zehen blieb sie an einem Gurt hängen. Sie tauchte unter und packte ihn mit der rechten Hand. Es fühlte sich an wie Leder. Das musste Karens Rucksack sein. Sie zog daran und spürte, wie er sich hob, während sie sich mit den Beinen am Grund abstützte.
Jemand trat sie. Die Zehennägel bohrten sich in ihren Oberschenkel. Au! Was macht Karen da unten?
Das ist nicht Karen!
Eine Hand krallte sich hinter ihrer Schulter fest und zog sie nach unten. Die andere grub sich in den Rücken. Sie wurde eng an einen nackten, sich windenden Körper gezogen und von Beinen umklammert. Zähne bissen in ihre Schulter. Zuckend vor Schmerz packte sie das lange Haar und zog daran. Die Zähne ließen nicht los. Julie zog fester. Die Zähne bissen fester zu. Ihre Schulter brannte vor Schmerz. Sie hätte am liebsten geschrien, kniff aber die Lippen zusammen. Die Zähne ließen sie los. Sie versuchte, den Kopf auf Abstand zu halten, aber die Haare glitten ihr aus der Hand, er schoss nach vorn, und die Zähne schnappten nach ihrem Schlüsselbein.
Sie dachte an Karens Warnung. Man braucht kein Messer, um jemanden zu töten.
Nur Zähne. Um die Halsschlagader aufzureißen.
Messer.
Die Zähne ließen sie los.
Jetzt suchten sie nach ihrer Kehle.
Julie legte den Kopf zur Seite und zog die Schulter hoch. Die Zähne zwickten in ihre Wange und versuchten, unter das Kinn zu gelangen. Die Frau wurde von einem Krampf geschüttelt, als Julie ihr die fünfzehn Zentimeter lange Klinge in den Rücken rammte. Ihre Fingernägel bohrten sich in Julies Haut. Die Frau zappelte und wand sich. Julie riss das Messer heraus und stieß erneut zu. Sie drückte mit der Hand gegen das Gesicht der Frau, schob sie weg und trieb ihr die Klinge in den Bauch. Dann stützte sie sich mit den Füßen auf dem Grund ab, packte das Messer mit beiden Händen und riss es nach oben.
Benny leuchtete auf die Stelle, an der Julie untergetaucht war. Die Wasseroberfläche schien dort aufgewühlt zu sein. Julie war schon lange unten. Länger als es dauern sollte, einen Rucksack zu bergen.
Nick blickte ebenfalls auf den See hinaus. Er machte keinen besorgten Eindruck.
Karen watete zügig wieder hinein, aber nicht so, als dächte sie, etwas würde nicht stimmen.
Dann brach ein Kopf durch die Oberfläche. Der Strahl von Bennys Lampe erfasste ein Gesicht, dessen Anblick ihn mit Entsetzen erfüllte. Die Augen waren nach oben gedreht, so dass man nur das Weiße sah, die Lippen zu einer Grimasse zurückgezogen. Blut floss am Kinn herab.
Ein Schrei entsprang Bennys Kehle. Die Frau tauchte aus dem Wasser, als würde sie sich gleich in die Luft erheben. Ihre Schultern brachen durch die Wellen. Die Arme wedelten wild
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