Der Wald: Roman
stöhnte, weil sein Arm bei der Bewegung schmerzte. Der Rest seines Körpers fühlte sich steif und wund an, aber er war froh, dabei zu sein. Karen blieb dicht an seiner Seite, als sie zum See gingen.
Nick und Julie hatten die einzigen funktionierenden Taschenlampen. Sie schritten langsam am Ufer entlang und ließen den Strahl übers Wasser gleiten. Das Licht wurde an der Oberfläche gebrochen und fiel in schrägem Winkel in den See. Durch das flache, von Schwebeteilchen getrübte Wasser konnte Benny den Grund erkennen. Die Steine dort unten waren bemoost. Seegras wiegte sich in der Strömung. Weiter draußen reichten die Lichtkegel nicht bis zum Grund. Sie waren zu schwach, um tiefer in die Finsternis vorzudringen.
»Also«, sagte Nick. »Ich glaube immer noch, dass unsere Rucksäcke da irgendwo sind. Ich gehe rein.«
»Nein, das ist verrückt«, sagte Julie.
»Lasst uns bis morgen warten«, schlug Karen vor. »Selbst wenn du sie findest, sind die Schlafsäcke völlig durchnässt.«
»Der meiste Proviant sollte noch in Ordnung sein«, sagte Nick. »Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich sterbe fast vor Hunger.«
»Nick, es ist zu kalt.«
»Wir haben ein schönes Feuer.« Sie folgten ihm zu der Stelle, wo sie ihr Gepäck liegen gelassen hatten. »Wenn sie die Sachen reingeworfen hat, dann wahrscheinlich gleich hier.« Er setzte sich auf den Boden, legte das Beil zur Seite und begann, seine Schuhe aufzuschnüren.
Julie setzte sich neben ihn. »Wenn du reingehst, geh ich auch.«
»Es gibt keinen Grund, warum wir beide nass werden sollten.«
»Es macht mir nichts aus.«
»Julie«, sagte er streng, »ich meine es ernst. Du bleibst hier.«
Sie sah ihn an. Ihr Mund öffnete sich, dann schloss er sich wieder. Die Schultern sackten ein wenig herab. »Na gut«, murmelte sie. »Wenn du es nicht willst.«
Barfuß stand er auf und zog sein Flanellhemd aus. Er ließ die Jeans runter und streifte sie ab. Nur in Boxershorts ging er steif zum Ufer. Er rieb sich die Arme. »Also«, sagte er, »los geht’s.« Er stürmte ins hoch aufspritzende Wasser, bis es ihm an die Knie reichte. Dann sprang er kopfüber hinein. Karen und Julie richteten die Taschenlampen auf ihn, während er lautlos unter den Wellen entlangglitt. Nach ein paar Sekunden tauchte er auf. Er drehte sich um und strich sich Wasser aus dem Gesicht.
»Kannst du da stehen?«, fragte Julie.
»Ja.« Die Wellen reichten ihm bis zur Brust.
»Wie ist es?«
Er antwortete mit einem Schmerzenslaut. Dann ging er los.
Julie hielt die Lampe auf ihn gerichtet. Karen leuchtete vor Nick aufs Wasser. Sie schritten auf einer Höhe mit ihm am Ufer entlang.
Er blieb stehen. Seine Schultern schwankten ein wenig. »Na, wer sagt’s denn!« Er tauchte unter. Einen Augenblick konnte man seinen Rücken blass und verzerrt im Licht der Taschenlampen erkennen. Dann verschwand er außer Sicht. Benny starrte auf das trübe Wasser. Er zählte still bis zehn, und Nick brach mit einem grauen Bündel vor der Brust durch die Oberfläche. Er hob es aus dem Wasser. Es war Karens Rucksack. »Sie liegen alle hier«, sagte er.
»Super«, rief Julie.
Er hob den Rucksack über den Kopf und ging einen Schritt vor, als hinter ihm das Wasser zu explodieren schien. Seine Augen traten aus den Höhlen. Er riss den Mund auf. Der Rucksack fiel ihm aus den Händen. Er schlug auf seinen Kopf und drückte ihn unter Wasser.
Die Taschenlampen landeten klappernd auf den Felsen. Karen und Julie stürmten nebeneinander in den See. Eine Lampe war ausgegangen. Benny schnappte sich die andere. Er sah, wie Karen sich kopfüber ins Wasser warf. Sie schwamm schnell hinaus, tauchte unter und kam mit Nicks Arm in der Hand wieder nach oben. Julie kraulte an seine Seite und packte den anderen Arm. Sein Kopf tauchte auf. Sie zogen ihn zwischen sich auf das Ufer zu. Nick war bei Bewusstsein. Er würgte. Als sie flacheres Wasser erreicht hatten, sah Benny, dass er seine Beine bewegte.
»Was ist passiert?«, fragte Benny.
Niemand gab ihm Antwort. Die beiden Frauen halfen Nick an Land, ließen ihn auf die Knie sinken und legten ihn flach auf den Bauch.
Der leuchtend rote Griff eines Taschenmessers ragte aus seinem Rücken.
40
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»Oh Gott«, stöhnte Julie. »Oh mein Gott.« Sie zog an dem Messer. Nick versteifte sich und schrie auf, aber die Klinge, die ein paar Zentimeter unter seiner rechten Schulter steckte, bewegte sich nicht. Sie zog fester. Der Griff rutschte ihr aus der Hand.
»Lass mich mal«,
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