Der Wald: Roman
umher. Die nackten Brüste schaukelten.
Dann erschienen Hände, die ihren Bauch umklammerten. Nein, nicht direkt ihren Bauch. Die Frau stand keineswegs kurz davor, loszufliegen, sondern wurde von diesen Händen aus dem Wasser gehoben, und jetzt tauchte unter ihr ein Kopf auf.
Das musste Julie sein.
Einen Augenblick lang schwebte die Frau – die Hexe – über Julies Kopf; ihr nackter Körper krümmte sich und zappelte in der Luft. Julie beugte sich vor und warf sie ins Wasser. Die Frau tauchte mit dem Kopf zuerst ein, und eine schäumende Fontäne stieg auf.
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Starr vor Schreck sah Nick den Körper aus dem See schießen. Das verzerrte Gesicht gehörte nicht Julie. Die Gestalt wand sich und strampelte in der Luft, dann verschwand sie in dem aufspritzenden Wasser.
Karen stürmte mit dem Messer in der erhobenen Hand vorwärts.
Nick rannte in den See und sah, wie sie ins Wasser griff. Julie konnte er nirgends entdecken. Wo war sie? War sie verletzt? Ertrank sie gerade? Er stand bis zur Hüfte im See und watete gegen den Widerstand des Wassers weiter hinein, als ihr Kopf durch die Oberfläche brach.
Neben ihm tauchte Karens linker Arm auf. Schwarzes Haar war um ihre Hand gewickelt. Sie zerrte den Kopf der Frau nach oben. Wasser und Blut strömten aus dem weit aufgerissenen Mund. Als die Schultern aus dem Wasser kamen, holte Karen mit dem Messer aus. Sie zögerte. Dann ließ sie das Messer sinken. Sie sah zu Nick. »Tot?«
»Sieht so aus.«
Julie kam auf sie zu. »Ist sie tot?«
»Was ist passiert?«, fragte Nick.
»Ich habe sie mit dem Messer erwischt.« Julie erreichte seichteres Wasser und wurde vom Lichtkegel der Taschenlampe erfasst. Blinzelnd drehte sie das Gesicht zur Seite. Nick stöhnte beim Anblick ihrer aufgerissenen, blutigen Schulter und Wange.
»Mein Gott, Julie.«
»Alles in Ordnung. Ziehen wir sie ans Ufer.«
»Ich hab sie«, sagte Karen.
»Gut, ich habe nämlich einen der Rucksäcke.«
Nick wartete, bis sie an ihm vorbeigingen. Karen zog den Körper an den Haaren hinter sich her. Er trieb mit dem Gesicht nach unten an der Oberfläche, der Rücken und die ausgestreckten Beine blass im Mondlicht. Nick hielt das Beil in der linken Hand und war bereit, zuzuschlagen, aber er bemerkte keine Lebenszeichen.
Julie erreichte als Erste das Ufer. Sie legte den Rucksack ab und drehte sich um. Gemeinsam mit Karen packte sie die Frau an den Armen. Sie zogen sie an Land. Benny leuchtete mit der Lampe auf den reglosen Körper. Nick kniete sich hin und betrachtete die Wunden am Rücken, zwei fransige, unsaubere Einstiche, die sich langsam mit Blut füllten.
»Du hast sie voll erwischt«, murmelte Benny.
Julie drehte die Frau um, und Nick schreckte vor dem Anblick zurück. Benny schnappte nach Luft. Karen wandte sich ab und hielt sich eine Hand vor den Mund. Julie stöhnte: »Großer Gott.«
Der Rumpf war von knapp über dem Schamhügel bis fast zum Brustkorb aufgeschlitzt. Eingeweide waren herausgequollen. Sie sahen aus wie ein Knäuel toter Schlangen.
Julie wich kopfschüttelnd zurück. Nick ging zu ihr. Er ließ das Beil fallen und zog sie an sich. Julie legte die Arme um ihn. Sie war kalt und nass und zitterte stark. »Schon gut«, sagte Nick.
»Das habe ich angerichtet«, ächzte sie.
»Du musstest es tun.«
»Das macht es nicht besser.«
»Ich weiß. Ich hab das auch schon erleben müssen. Erinnerst du dich?«
»Ja.« Sie drückte das Gesicht an seinen Hals. Er spürte das Kitzeln ihrer Wimpern. Mit der rechten Hand, die durch den Gürtel unten gehalten wurde, streichelte er die kühle Haut an ihrer Taille.
»Lass uns zum Feuer gehen«, sagte er.
»Ich will die anderen Rucksäcke holen.«
»Bist du verrückt?«
»Ja. Aber du liebst mich trotzdem, oder?«
»Allerdings.« Er küsste sie auf den Mund. Sie umarmte ihn stürmisch und vergaß dabei offenbar seine Verletzung, bis er vor Schmerz zusammenzuckte.
»Entschuldigung.«
»Kein Problem. Letzte Nacht hab ich dir wehgetan.«
Sie lächelte zu ihm auf. »Das kann man wohl sagen. Vergiss das bloß nicht.«
»Das werde ich nie vergessen.«
»Kannst du mich jetzt noch achten?«
»Nein.«
Sie lachte leise.
Nick drückte ihren Hintern durch die feuchte Seide der Unterhose, und sie rieb sich an ihm. Er spürte eine warme Welle der Lust.
»Pass auf, dass ich mich bei dir nicht zu wohl fühle«, warnte sie ihn. »Sonst will ich nachher nicht mehr in den See.«
»Ich will nicht, dass du nochmal reingehst.«
»Die Pflicht ruft.«
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