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Der Wald wirft schwarze Schatten

Der Wald wirft schwarze Schatten

Titel: Der Wald wirft schwarze Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari F. Braenne
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darauf. An einem Haken über dem Bett hingen einige geflickte Kleidungsstücke. Auf dem Fußboden stand ein seltsames Paar Schuhe aus geflochtener Birkenrinde. Über dem einen Stuhl hing eine Strickjacke. Er nahm sie hoch. Abgesehen davon, dass sie muffig roch, sah sie fast neu aus. Er hängte sie vorsichtig zurück und ging langsam zur Stirnwand hinüber, in der ein kleines Guckloch war, das als Fenster diente. Darunter war die Küchenecke mit einigen einfachen Gerätschaften. Schüssel, Becher, Löffel und Gabel, alles aus Holz geschnitzt. In einem Trog auf dem Fußboden lag etwas, das einmal etwas Essbares gewesen sein mochte, vielleicht Kartoffeln, aber nun waren es nur noch dunkle, verschrumpelte Klumpen. In einem zerfledderten Schuhkarton unter dem Bett fand er ein gutes Messer, es war nur ganz wenig rostig. Er fand auch einen Hammer, eine Axt und eine Säge.
    Nichts in diesem Raum war erschreckend. Im Gegenteil, er fand es gemütlich. Es gefiel ihm hier drinnen. Es war, als sei er endlich an einen Ort gekommen, wo er hingehörte.
    In den Sommern, die folgten, durfte er allein hinauf in die Hedmark fahren. Es war anscheinend in Ordnung, den Hof zu besuchen, jetzt, wo Großvater tot war. Nicht, dass die Verwandten ihn begeistert empfangen hätten. Er wurde immer noch schief angesehen. Aber er fuhr auch nicht hin, um sie zu besuchen. Er fuhr hin, um zu der Hütte im Wald zu kommen. Sonst benutzte sie ja niemand. Keiner kümmerte sich darum. Falls überhaupt irgendwelche Leute davon wussten, gingen sie nie dorthin. Nur er. Die Hütte lag so gut versteckt hinter Bäumen und Büschen. Sie war eine geheime Insel in Großvaters tiefen Wäldern und direkt an der Grenze zu Schweden. Er durfte sich Werkzeug von Onkel Nils borgen, bekam Material, das übrig war: Planken und Bretter, ein paar alte Fenster. Durfte sich Mörtel und Ziegelsteine nehmen. Der Onkel kam nie mit hinauf, er hatte genug unten im Sägewerk zu tun. Aber Wilhelm schaffte es allein. Er trug die Sachen hinauf, zimmerte und hämmerte, bis die verfallene Kate mehr und mehr einer richtigen Hütte glich. Er nutzte das Wissen aus dem Werkunterricht und brachte sich selbst Neues bei.
    Mutter wollte nicht mitkommen. Sie konnte diesen Platz dort im Wald nicht ertragen. Aber sie hatte nichts dagegen, dass er einen Teil seiner langen Schulferien dort oben verbrachte. Es war schön für sie, ihn eine Weile los zu sein. Er jedenfalls fand es schön, dass er von ihr weg war.
    Aber etwas musste an diesem Ort passiert sein, lange vor seiner Zeit. Mutter hätte ihn nicht dorthin mitnehmen sollen. Dann wäre er nie zusammen mit Elise hingegangen. Und er wäre
jetzt
nicht auf dem Weg zurück dorthin.
     
    Die Kabinenbeleuchtung wird gedimmt. Er schaut aus dem kleinen Fenster. Draußen ist es genauso dunkel wie drinnen. Die Stewardess reicht ihm eine Decke, die er sich umlegt. Er sieht zu seinem Sitznachbarn hinüber. Der Fleischberg schnarcht mit offenem Mund. Er hat sich noch weiter ausgebreitet, sein Arm beansprucht die ganze Armlehne, sein enormer Schenkel berührt beinahe Wilhelms. Es juckt ihm in den Fingern, den Fetten zu boxen, aber stattdessen drückt er sich an die kühle Wand neben dem Fenster. Kurz bevor er die Augen schließt, merkt er, dass der Kopfschmerz wieder zusticht. Sofort taucht sie auf, wie sie es so oft tut. Obwohl es Ewigkeiten her ist, dass er beschlossen hat, sie zu vergessen. Da ist sie, so, wie er sie zum allerersten Mal gesehen hat. In jenem Sommer auf dem Friedhof.
     
    Sie war ihm sofort aufgefallen. Gleich am ersten Tag, als die Saisonarbeiter kamen, die von den einheimischen jungen Männern schon sehnsüchtig erwartet wurden. Nicht so sehr, weil die Arbeit dann auf etliche Schultern mehr verteilt werden konnte, sondern weil meistens auch ein paar Frauen dabei waren. Und diesmal war es ein besonders gutes Jahr. Der Arbeitstrupp bestand aus einer ganzen Reihe hübscher Mädchen. Nur zwei oder drei Jungs darunter, die verglichen mit den muskulösen, sonnengebräunten Burschen, zu denen er gehörte, bloß blasse, kraftlose Bücherwürmer waren.
    Sie kniete unter den mächtigen Bäumen drüben beim Gedenkhain. Streckte die schlanken Arme aus, setzte Stiefmütterchen in die Erde. Hellroter Mund, Sommersprossen auf der kleinen Nase, das lange, blonde Haar mit einem Gummiband zusammengefasst. Beigefarbene Shorts. Weißes T-Shirt. Viel zu große Arbeitshandschuhe. Die dünnen braunen Beine in riesigen Stiefeln.
    Als sie fertig war, stand sie auf,

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